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REDE DES 2. AKTIONSTAGES
"Wir gründen eine AG für unser Viertel – gegen die Verfestigung der offenen Koffeinszene"
MI 28.02.2001 11h



Ein Viertel kippt die Tassen aus


Das Schanzenviertel ist bunt, weltoffen, innovativ, vielfältig, eigenwillig und tolerant. Man ist kein Rassist und will es nicht werden. Sozialhilfeempfänger, Studenten, Minderheiten, Ausländer, junge Selbständige und Angehörige neuer Medienberufe bilden die typische soziale Mischung, die dieses Viertel so charmant und liebenswert macht. Es ist nicht immer einfach miteinander, aber wir schaffen das schon. Und zwar gemeinsam. Wir gründen Arbeitsgruppen und AG’s, bringen uns ein und machen mit. Die Bürgersteige werden sauber gemacht, die Probleme werden angepackt und Alle dürfen sich beteiligen. Gründerstimmung in der Schanze, vom Problemstadtteil zum Zukunftsviertel.

So sieht es aus – glaubt man den Beteiligten . Und selbst die STEG ist nicht mehr einfach nur neutral und sozial kompetent. Sie ist dabei sogar sexy, wie es ihr Geschäftsführer unlängst formulierte. In diese Aufwertungseuphorie hinein die schmutzigen Wörter Rassismus, Vertreibung und Repression zu rufen. In diesem harmonischen Miteinander völlig unmodern von Widerstand zu sprechen – es kann sich nur um ideologisch Unbelehrbare handeln, die weiter schlechte Stimmung verbreiten.

In diesem Szenario empfehlen sich die Gutwilligen durch ihre Mitmachqualitäten , erarbeiten konstruktive Lösungsvorschläge für Probleme, die sie gefunden haben, berufen sich auf das Wohl des Viertels und entwerfen ein Bild von diesem Stadtteil, das eher an ein Sozialbiotop erinnert als an die Realität. Dazu gehört auch der saloppe Tonfall, in dem die STEG sich zum Sexsymbol verklärt und die Diskussion um die offene Drogenszene zum Problem verstrahlter Nichtsmerker wird. Man ahnt, woher hier der Wind weht. Es geht oft genug nicht um Lösungen, sondern um deren Simulation. Es geht öfter noch nicht einmal mehr um die Frage, welche Probleme hier herrschen, sondern wer die Definitionsmacht darüber besitzt. Wo eine solche Politik gemacht wird, entstehen Sprechblasen ohne Inhalt und Symbolik mit Folgen. Während gebetsmühlenartig von Toleranz gesprochen wird, wird knallhart ausgegrenzt, während kulturell umarmt wird, wird politisch kalt gestellt, während vom Miteinander gesprochen wird, wird aufgewertet. Während die Einen sich beteiligen, werden die Anderen endgültig zu Störfaktoren.
Dabei weiß man dann natürlich, dass die staatliche Drogenpolitik der Grund für das Elend ist, aber der Horizont der politischen Fantasie reicht über eine sogenannte angemessene Polizeidichte und die Verlagerung des Fixsterns trotzdem nicht hinaus. Da gehört ein Projekt wie die Flora selbstverständlich dazu, aber nach Spielregeln, die man selbst aufgestellt hat. Da ist Kritik willkommen, aber man kann ja über alles solange reden, bis am Ende Realpolitik entsteht.
Es gibt aber Dinge, über die kann man eben nicht reden und vor allem nicht mit jedem. Dass die STEG genau dieses Prinzip trotzdem verfolgt, ist kein Irrtum, sondern das Prinzip selbst. Auf dem Weg mit der STEG treffen sich so die unterschiedlichsten Interessen. Die Polizei ist mit dabei, Geschäftstreibende, engagierte Viertelfreunde.

Und ob sie es im Einzelfall wollen oder nicht: Am Ende kommt genau jene Form von Ordnungspolitik heraus, die hier in den vergangenen Jahren eindrucksvoll in Szene gesetzt wurde. Ein bisschen Repression, ein bisschen Beteiligung, ein bisschen alternative Kultur und viel Aufwertung und Ausgrenzung. Dieses Spiel werden wir auf absehbare Zeit nicht mitspielen können, weil wir leider immer wieder konsequent und absichtlich die Regeln vergessen.
Und das ist gut so, denn die Stille der Vertreibung und Ausgrenzung hat auch morgen noch laute und störende Stimmen verdient.

Bei allen Unzulänglichkeiten und bei allen Fehlern: Die Rote Flora war in den vergangenen Jahren eine zuverlässige schräge Stimme im Kanon der Kritik. Ob sie dies bleibt, wird auch von denen entschieden, die den Verhältnissen immer noch misstrauisch gegenüber stehen, egal wie sexy sie daherkommen.