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Freitag zwischen 19 und 21 Uhr

"... auf der Adalbertstraße war buntes Durcheinander, Leute, die dort wohnten, Passanten, Neugierige, junge Leute, teilweise mit Helmen und Knüppeln, einige fingen gerade an, in der Naunynstraße eine Straßensperre aufzubauen. Der gepflasterte Streifen des Fußgängerwegs war bereits teilweise aufgebrochen, so daß Pflastersteine lose herumlagen. Ein Supermarkt-Einkaufswagen war gefüllt mit Steinen. Als ich gerade zur Oranienstraße kam, stiegen Polizisten aus dem Einsatzwagen aus und wollten die Kreuzung absperren. Ich hörte, wie Polizisten zu Passanten sagten: 'Treten Sie zurück, zu Ihrer eigenen Sicherheit: Es kam zu keinen Auseinandersetzungen. Einige Minuten später gab der Einsatzleiter das Kommando durch das Megaphon: 'die ganze Truppe marsch!' Die Polizisten marschierten hinter den langsam fahrenden Einsatzwagen her in Richtung Oranienplatz. Ich überquerte die Oranienstraße und fragte einen Passanten, ob er einen Überblick über die Vorgänge habe, und um was es eigentlich ginge. Er konnte jedoch auch nur die momentane Stimmung beschreiben, ich kehrte um. Die Straßensperre Kreuzung Naunynstraße war gewachsen ...
... ein Mann, der aussah wie die Mariannentrödler, redete auf die Leute ein, sie sollten nach Hause gehen, das wäre doch wohl aussichtslos. Ich fragte etwas später einen behelmten Typ, was er sich davon versprechen würde, hier mit fünf oder sechs anderen Leuten auf einen Polizeieinsatz zu warten. Er fragte mich, ob ich denn Angst hätte, wenn die Bullen kämen, würden sie schon eins auf die Schnauze kriegen. Ich sagte, ich hätte keine Lust, die Nacht im Knast zu verbringen. Es schien mir sinnlos, mit diesen Leuten weiter zu diskutieren. Ich machte mich daher zügig aus dem Brennpunkt weg.

... In der Adalbertstraße kurz vor dem besetzten Haus standen zwei Pkw´s quer auf der Straße, zwischen denen ich durchging. Jetzt fiel mir auf, daß ein türkischer Junge lachend mit einigen Schuhen angerannt kam. AIs mir der nächste mit mehreren Schuhkartons begegnete, erkannte ich, woher diese Schuhe stammten. Sofort ging ich auf die gegenüberliegende Straßenseite des Schuhgeschäfts bis zur Ecke Kottbusser Tor. Ab und zu vernahm ich Klirren. Fensterscheiben, die noch nicht ganz eingeworfen waren, traten einige mit den Füßen ein. Ich hörte, wie ein auffällig gekleideter Mann in grauem Pelzmantel mit Pelzmütze zu einigen anderen Leuten sagte: 'Ich halte dies nicht mehr für eine politische Aktion, das ist Randalismus. Ich bin dafür, daß wir uns zurückziehen.' Ich hatte den gleichen Gedanken, kam aber nicht mehr dazu, das zu tun, da im gleichen Augenblick zwei oder drei Polizeifahrzeuge äußerst schnell auf die Ecke zufuhren. Ich rannte sofort los in Richtung Skalitzer Straße / Görlitzer Bahnhof, um mich so schnell ich konnte dieser Situation zu entziehen. Eins der Polizeifahrzeuge fuhr jedoch in meine Richtung. Ich spürte schon, wie mich ein Polizist verfolgte. Eine Chance glaubte ich noch zu haben, in diesem unübersichtlichen Moment und zwar, durch die Lücke zwischen zwei Polizisten zu entkommen. Doch die beiden wandten sich mir zu. Die Falle schnappte zu. Drei Knüppel streckten mich gleichzeitig nieder. Noch als ich aus dem Mund blutend auf der Straße lag und brüllte, sie sollen aufhören ich hätte nichts gemacht - wohlgemerkt ohne mich auch nur im geringsten wehren zu können oder zu wollen - knallten Schläge auf meinen Kopf und Rücken. Schließlich befahlen sie mir, ich solle aufstehen. So drängten sie mich, unterstützt von einzelnen Knüppelschlägen, zum Einsatzwagen."

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