95

Wieder Scheiben eingeworfen (FR 27.12.80)
Nur Sachschaden bei einer Serie von Anschlägen in Berlin
BERLIN, 26. Dezember (dpa). Eine Serie von Anschlägen auf Banken, Geschäftshäuser, eine Kirche und ein Postamt hielt die Berliner Polizei an den Weihnachtsfeiertagen in Atem. Nach Angaben der Polizei wurden verteilt über das Stadtgebiet in der Nacht zum Donnerstag in 13 Gebäuden Scheiben mit Pflastersteinen eingeworfen und in einigen Fällen auch Brandsätze gezündet. Es entstand mittlerer Sachschaden. Menschen waren nicht in Gefahr. Zweimal schrieben die unbekannten Täter die Forderung an Wände: "Laßt die Hausbesetzer frei".

Beim Staatsschutz der Berliner Polizei gibt es, wie ein leitender Beamter erklärte, "keinen Zweifel mehr", daß die Täter "aus dem Kreis der Hausbesetzer-Szene Im weitesten Sinne" stammen Die Aktionen dürften damit Im Zusammenhang mit der nach wie vor, bestehenden Inhaftierung von fünf Personen stehen, die im Zuge gewaltsamer Auseinandersetzungen nach Hausbesetzungen festgenommen worden waren. Nach Angaben eines Sprechers des "Betroffenenrates des Sanierungsgebietes Kreuzberg", zu dem auch der "Besetzerrat" gehört, kann über den Täterkreis noch nichts gesagt werden. Es gebe so viele Gruppen, für deren mögliches Handeln der Rat keine Verantwortung übernehmen könne. Sowohl der Betroffenenrat als auch der Besetzerrat strebten nach wie vor eine friedliche Lösung der Probleme an.

Vor knapp zwei Wochen hatte es nach einer polizeilichen Hausräumung in Kreuzberg gewalttätige Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei gegeben. Die meisten jugendlichen Demonstranten wollen mit ihren Aktionen auf eine ihrer Meinung nach verfehlte Wohnungspolitik des Senats aufmerksam machen.

Am späten Heiligabend besetzten in Nürnberg etwa 30 junge Leute ein leerstehendes, dreigeschossiges Gebäude.


Senat verurteilt Brandanschläge (Spandauer Volksblatt 30.12.80)
Hausbesetzer distanzieren sich von Brandstiftung im U-Bahnhof Dahlem

Der Berliner Senat hat die Brandanschläge der vergangenen Tage in der Stadt "mit Nachdruck" verurteilt. Senatssprecher Hermann Meyn sagte gestern, solche Gewaltakte seien kein Mittel, politische Probleme zu lösen oder auf sie aufmerksam zu machen. Darauf habe auch der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe schon nach den Auseinandersetzungen auf dem Kurfürstendamm im Zusammenhang mit Hausbesetzungen hingewiesen. Der "Besetzerrat", in dem nach eigenen Angaben Vertreter aller in Berlin besetzten Häuser sitzen, hat sich in einer Erklärung dagegen gewehrt, "daß jeder Brand zur Zeit Hausbesetzern in die Schuhe geschoben wird. Wir kämpfen für den Erhalt von Häusern und nicht für die Vernichtung von U-Bahnhöfen", heißt es in der Erklärung. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, daß zu Weihnachten "noch sehr viel mehr Aktionen" stattgefunden hätten, als bekannt geworden seien. Der "Besetzerrat" will sich an Verhandlungen über eine friedliche Lösung der Häuser-Probleme erst beteiligen, wenn auch die restlichen fünf noch Inhaftierten freigelassen werden, die bei den Krawallen in den vergangenen Wochen festgenommen waren.

Bei dem Haftprüfungstermin gegen zwei der bei den Auseinandersetzungen um Hausbesetzungen Festgenommene versammelten sich gestern etwa 60 bis 70 vorwiegend junge Menschen in der Vorhalle im Amtsgericht Tiergarten. Sie forderten, wie die Polizei mitteilte, in Sprechchören: "Eins, zwei, drei, laßt die Leute frei!" Nach mehrmaligen Aufforderungen der Polizei verließen die Demonstranten das Gericht. Die beiden Personen, über die das Gericht zu entscheiden hatte, blieben weiter in Untersuchungshaft. Das bei einem Brandanschlag am vergangenem Freiag beschädigte Postamt 314 in der Kreuznacher Straße bleibt für etwa vier Wochen geschlossen. Die Post stellt ab 5. Januar vor dem Gebäude ein fahrbares Postamt auf, das für die Annahme von Paketsendungen geeignet ist.  lbn