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Kleiststraße / Ecke Martin Luther-Straße, 15.12., gegen 22 Uhr

"Ich bin auf der östlichen Seite, aber direkt an der Kreuzung auf dem Gehweg stehengeblieben und habe fotografiert. Nachdem die Kreuzung wieder frei war, setzten sich die Beamten mit hoher Geschwindigkeit in Bewegung, schlugen mit ihren Stöcken auf die Schilder und versuchten die Demonstranten wieder einzuholen. Da ich mich bedroht fühlte, und aus der Erfahrung von der Uhlandstraße ziemlich sicher war, von den Polizisten überrannt zu werden, bin ich dann auch hinter dem Demonstrationszug hinterhergelaufen, um mich in Sicherheit zu bringen, denn die Bürgersteige und Grünanlagen wurden auch von der Polizeikette durchkämmt. Ich habe dann in Höhe der Courbierestraße den Demonstrationszug erreicht, als dieser plötzlich aus einem mir nicht einsichtigen Grund stoppte. Alles was jetzt in den nächsten 30 Sekunden passierte, ist mir nur noch teilweise exakt bewußt, teilweise hab ich es rekonstruiert, da ich einen kurzzeitigen blackout hatte. Ich bin von hinten gepackt worden von mindestens zwei Händen eine davon war behandschuht, faßte mich an Kehle und Kinn und schob mir den behandschuhten Daumen in den Mund und drückte meine Zunge in den Rachenraum. Mein Kopf wurde ins Genick gedrückt, mein Körper so am Kinn nach hinten gerissen und mir gleichzeitig die Füße nach vorn unter dem Leib weggetreten. Ich schlug mit dem Hinterkopf gegen die Straßenoberfläche auf den Asphalt, verlor meine Mütze, merkte, wie mehrere Beamte um mich herumstanden, mindestens einer mit seinem Schlagstock auf mich einschlug. Meine Kameras waren auf den Boden geknallt. Ich wurde ein Stück über den Asphalt geknallt, über meine rechte Körperseite hinweg gedreht und lag für einen kurzen Augenblick auf dem Bauch, wurde dann hochgerissen, der linke Arm war im Polizeigriff auf den Rücken gedreht und wurde sehr hochgezogen. Es war sehr schmerzhaft. Der rechte Arm war frei. In dieser Hand hielt ich eine meiner beiden Kameras, die zweite hing mir um den Hals, die hatte ich nicht verloren. ... Ich bin dann auf die rechte Fahrbahnseite abgeführt worden. Mindestens den Vorgang des Abführens, wahrscheinlich aber den gesamten Vorgang der Verhaftung hat ein Pressekollege beobachtet, der den Beamten seinen Ausweis vorlegte, ihn hochhielt und rief: ,Ich bin von der Presse. Er wurde aber von den Beamten zur Seite gedrängt und beschimpft. Er wurde dann von weiteren Beamten dran gehindert, diesen Vorgang zu fotografieren.

Einsatzwagen und Revier - "Beweissicherung"

" ... nach meiner Verhaftung drängten die Polizisten mich, unterstützt durch einige Knüppelschläge, zum Wagen. Mit zitternden Knien und aus dem Mund blutend mußte ich mich auf den Boden des Fahrzeugs legen. Mein Stöhnen und die kleinste Kopfbewegung waren Anlaß für Fußtritte und weitere Knüppelschläge. Nach etwa fünf bis sieben Minuten Fahrt waren wir an einem größeren Gefangenentransporter angelangt. Dort wurden noch andere Gefangene nach Waffen abgetastet und mit einer Sofortbildkamera mit den jeweiligen Polizisten fotografiert. Der hauptsächlich für mich zuständige Beamte stritt noch mit einem Kollegen, der sich lieber mit einem anderen Gefangenen fotografieren lassen wollte, gerade als hätte er ein schlechtes Gewissen, neben mir Blut verschmierten fotografiert zu werden. Gegen Mitternacht überwies mich ein Arzt mit einem anderen Gefangenen, der ebenfalls Platzwunden am Kopf hatte, aus der Polizeiwache 55 ins Krankenhaus Neukölln. Gegen drei Uhr wurde ich dort untersucht und geröntgt.

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