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CHIPKARTEN,
GUTSCHEINE                                                                                                                                                                
UND ANDERE FIESHEITEN

DES
ASYL
BEWERBER
LEISTUNGS
GESETZES


praktische Unterstützungsmöglichkeiten


Einleitung
S. 3
Das Asylbewerberleistungsgesetz
S. 4
Der Alltag
S. 8
Anbieter von Gutschein- und Chipkartensystemen
S. 11
Widerstand
S. 14
Unsere Einschätzung
S. 15
Praktische Tipps
S. 18
Gutscheinsystem in Neukölln gekippt!
S. 22
Wie weiter? S. 23












Berlin, Mai 2004
Hallo!
Manche von euch waren bei einer unserer Infoveranstaltungen, andere haben schon nachgefragt, ob es dazu auch etwas Schriftli-ches geben wird, und wieder anderen wird das alles ganz neu sein. Hier ist sie also, die 2004-Neuauflage unserer kleinen Broschüre zum Thema Chipkarteneinkauf und andere Fies-heiten des Asylbewerberleistungsgesetzes (ab jetzt AsylbLG). Wir (Kurzvorstellung: eine autonome Berliner AntiRassismus-Gruppe) wollen damit nicht nur informieren, sondern vor allem dazu aufrufen, gegen die rassistische Migrationspolitik aktiv zu werden und Flüchtlinge in ihrem Alltag zu unterstützen. D.h. denen, die für ihre Einkäufe nur Gutscheine oder Chipkarten erhalten, den Zugang zu Bargeld und damit etwas mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen. Bei uns könnt ihr diese Gutscheine "erwerben" oder Chipkarten für eine oder zwei Wochen ausleihen - normalerweise gegen Vorkasse des einzukaufenden Betrages. Weiter können wir anbieten, Kontakt zu Flüchtlingen oder Flüchtlingsfamilien in Berlin herzustellen, die mit Chipkarten / Gutscheinen einkaufen müssen. Ihr könnt euch dann mit ihnen verabreden um gemeinsam einkaufen zu gehen, sie bezahlen euren Einkauf mit den Chip-karten/Gutscheinen und ihr gebt ihnen dafür Bargeld. So werden eure WG- oder sonstwas-Einkäufe zur direkten Hilfe für Flüchtlinge.

Damit ihr wisst, worum es dabei geht:
Zunächst einmal werden wir darstellen, auf welcher Rechtsgrundlage Menschen in der BRD derart bevormundet werden. Dann erklärt ein Kapitel, was der Einkauf mit Gutscheinen oder Chipkarten für den Alltag von Flüchtlin-gen bedeutet. Die nächsten Kapitel benennen die ProfiteurInnen und erzählen von einigen Widerstandsaktionen. Schließlich folgt der Versuch einer politischen Einordnung der Re-pressionsmaßnahmen und unserer Aktion, und zuallerletzt gibt's noch ein paar praktische Tipps für den Chipkarten- und Gutschein-Einkauf und eine Liste mit Läden, die diese annehmen.

Gebt diese Broschüre weiter, sprecht andere Menschen und WGs an, ob sie sich nicht einen solchen Einkauf (oder andere Aktionen...) vorstellen können.
Die Aktualisierung der Broschüre erfolgte seit 2000 von der »Initiative gegen das Chipkartensystem«. Wir danken den ursprünglichen AutorInnen.

Wir hoffen auf zahlreiche Rückmeldungen!!

Kontakt für einen regelmäßigen Einkauf mit Flüchtlingen, Informationen und Termine für öffentliche Antirassistische Einkäufe:

Initiative gegen das Chipkartensystem
c/o Berliner Büro für Gleiche Rechte
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalderstr. 4
10405 Berlin
Tel: 030 / 419 35 839 (Do.:19-20 Uhr)
Fax: 030 / 419 36 868
mobil: 0160-3410547
Bürozeiten: Do. 19:00 - 20:00 Uhr

http://www.chipkartenini.squat.net/
e-mail: konsumfuerfreiesfluten@yahoo.com


Wir hoffen auf zahlreiche Rückmeldungen!!


Kontakte für einen regelmäßigen Einkauf mit Flüchtlingen,
Informationen und Termine für öffentliche Antirassistische Einkäufe:

Initiative gegen das Chipkartensystem

c/o Berliner Büro für Gleiche Rechte (NEU)
im Haus der Demokratie und Menschenrechte-
Greifswalderstr. 4
10405 Berlin
Tel:030-419 35 839
Fax: 030/419 36 868
mobil: 0160-3410547
Bürozeiten: Do. 19-20 Uhr

http://members.partisan.net/chipkartenini/
e-mail: konsumfuerfreiesfluten@yahoo.com








Das Asylbewerberleistungsgesetz

Entstehungsgeschichte
Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) entstand zusammen mit dem Asylverfahrensgesetz 1992 im Rahmen des Asylkompromisses zwischen CDU-Regierung und SPD-Opposition. Es erlangte 1993 mit der de facto Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (Änderung des §16a GG) Gesetzeskraft. Es definiert und regelt die materiellen Leistungen und reguliert somit - zusammen mit dem Asylverfahrensgesetz - die staatlich vorgegebenen Existenzbedingungen von Flüchtlingen.
Wesentlich im Asylbewerberleistungsgesetz ist die Festschreibung eines minimalen Lebensstandards oder Existenzminimums von Flüchtlingen, welcher unter dem des normalen und auch schon nicht sehr üppigen Mindestsozialhilfesatzes angesiedelt wird. Dabei sind die Leistungen für Flüchtlinge im Vergleich zur Sozialhilfe, die eigentlich schon das Mindestmaß zur Sicherung eines »menschenwürdigen« Daseins darstellt, noch einmal um 20% bis 40% gekürzt. Somit besteht hinsichtlich der zuerkannten Menschenwürde und eines Existenzrechtes mit einem bestimmten Lebensstandard klar eine Einteilung in Menschen erster und zweiter Klasse. Das Bundesverfassungsgericht segnete diese Praxis in einem Urteilsspruch vom 29. August 1998 ab: Es bestehen "keine ernsthaften Verfassungszweifel".

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz können MigrantInnen während des Asylverfahrens - also mit dem Titel einer Aufenthaltsgestattung - mit einer Duldung oder dem in den Gesetzen gar nicht vorgesehenen Aufenthaltsstatus einer sog. Grenzübertrittsbe-scheinigung beziehen, sofern eine so genannte materielle Bedürftigkeit besteht. Da ein de facto Arbeitsverbot besteht, ist die Auszahlung von Leistungen zum Lebensunterhalt die Regel. Menschen mit Aufenthaltsberechtigung, befristeter und unbefristeter Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsbefugnis haben hingegen Anrecht auf (teilweise ebenfalls abgesenkte) Lei-stungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Das Asylverfahrensgesetz regelt die Antragstellung und das Anerkennungsverfahren von Asylsuchenden. Gleichzeitig schränkt es Arbeitsmöglichkeiten, Aufenthaltsort und Bewegungsfreiheit ein.
Dies bedeutet die Zwangsverteilung in "Erstaufnahmelager" der Bundesländer, auf die die Flüchtlinge verwiesen werden und von dort aus die Weiterverteilung auf die Kommunen, vorrangig in Gemeinschaftsunterkünften mit Anspruch auf 4-6 m² pro Person in einem Mehrbettzimmer. Der Aufenthalt in diesen Gemeinschaftsunterkünften ist mit einer Residenzpflicht gekoppelt, also dem Verbot, die jeweiligen Landkreisgrenzen bei der Androhung eines Bußgeldes zu überschreiten.

Für asylsuchende oder geduldete Menschen bestand ein befristetes Arbeitsverbot von drei Jahren, welches am 6.12.2000 auf ein Jahr verkürzt wurde. Seit 2001 ist das Arbeitsverbot nach einer Wartezeit von einem Jahr theoretisch aufgehoben. Es muss jedoch bei jedem Arbeitsplatz sechs Wochen lang geprüft werden, ob es keine bevorrechtigten BRD- oder EU-BürgerInnen für den Job gibt. Dies bedeutet für Berlin und die östlichen Bundesländer praktisch ein absolutes Arbeitsverbot, für die Bundesländer mit einem Arbeitsplatzmangel an billigen ArbeiterInnen ist jede Arbeitsaufnahme eines immer unter Schnitt bezahlten Jobs mit einen Haufen bürokratischen Aufwandes ver-bunden. (siehe 3. Buch des Sozialgesetzbuches § 285). Hierdurch wird in der Regel ein Abhängigkeitsverhältnis von staatlichen Leistungen festgeschrieben oder als Alternativmöglichkeit ein Verstoß gegen ausländerrechtliche Verordnungen erzwungen.
Gleichzeitig sind alle "arbeitsfähigen, nicht erwerbstätigen Leistungsberechtigten, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind" (§5 (4) AsylbLG) verpflichtet, gemeinnützige zusätzli-che Arbeiten (gzA) oder auf dem Wohnheimgelände anfallende Arbeiten für 1,- € pro Stunde zu übernehmen, ansonsten droht Leistungskürzung oder -entzug. Dies hängt aber auch wieder von den lokalen Gegebenheiten ab, da z.B. in Berlin sehr wenige Flüchtlinge gzA leisten und einige solche Arbeiten aufgrund des Geldmangels übernehmen würden, dies aber von den Sozialämtern verweigert wird. Diese Arbeiten werden explizit weder als Arbeits- noch Beschäftigungsverhältnis angesehen und sind damit auch nicht mit den entsprechenden Sozialleistungen und Absicherungen gekoppelt, was sie zu einer Form von Zwangsarbeit werden lässt (AsylbLG § 5).

Verschärfungen des Asylbewerberleistungsgesetzes
Erste Novelle vom 1.6.97
· Die Dauer reduzierter Sachleistungen wird von 12 auf 36 Monate angehoben,
· Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge mit entsprechender Aufenthaltsbefugnis fallen unter das AsylbLG (vormals BSHG).

Zweite Novelle vom 1.9.98
· Weitere Verschärfung mit der Einführung des §1a, mit dem Leistungen bis auf null reduziert werden können.

Der "Tatbestand" nach §1a tritt dann ein, wenn ein Mensch angeblich nur in die BRD gekommen ist, um Sozialleistungsbezüge zu erhalten (die so genannte Um-zu-Regelung) oder aufgrund eines selbst zu vertretenden Abschiebungshindernisses nicht abgeschoben werden kann (vorsätzlicher Nichtbesitz eines Passes etc.). Bei unterstelltem Tatbestand gilt nur noch ein Anspruch auf "unabweisbare Leistungen". Natürlich obliegt den entsprechenden Ämtern die Beurteilung der Motivationen und dem, was "unabweisbar" ist...

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
Die Grundleistungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz sind folgendermaßen definiert: "Der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts...." (.§3, Abs. 1)
Dabei soll das Sachleistungsprinzip Vorrang vor Barauszahlungen haben, was in der Regel auch so gehandhabt wird. Nur ein »Taschengeld« in der Höhe von 41,- € (für Kinder und Jugendliche 21,-€) wird monatlich in Bargeld ausgezahlt, kann aber unter bestimmten Umständen verweigert werden - z.B. bei unterstellter Nichtkooperation bei der Vorbereitung der eigenen Abschiebung oder bei Ärger mit der SachbearbeiterIn des Sozialamtes.
Insgesamt bekommen Alleinstehende oder Haushaltsvorstände Leistungen im Wert von 226,- € pro Monat, jedes weitere jugendliche und volljährige Haushaltsmitglied 200,- €, Kinder (7-13 Jahre) 180,- € bzw. 134,- € (unter 6 Jahren). Auch diese Beträge können für Repressionsmaßnahmen weiter gekürzt werden.
Alle weiteren anfallenden Kosten müssen von dem »Taschengeld« übernommen werden wie Telefon, Porto oder Geburtstagesgeschenke, die Kosten für die für das Asylverfahren not-wendige AnwältIn, für anfallende Übersetzungen oder Fahrten zu Behörden, AnwältInnen oder Beratungsstellen. In Berlin wurde gerade zum 1.1.04 das Sozialticket gekürzt, so dass von dem geringen Bargeld nun die normalen Tickets gekauft werden müssen. Dies betrifft in Berlin auch die normalen SozialhilfeempfängerInnen, doch ist diese Schikane mit nur 40 € Bargeld pro Monat fast nicht lösbar.

Die medizinische Versorgung wird nur bei akuten Krankheiten und Schmerzzuständen gewährt, ansonsten nur, wenn es "zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist." (§6) Dies bedeutet auch, dass der Krankenschein nicht regelmäßig ausgegeben wird sondern nur bei akuten Krankheiten. Dies entscheidet dann die zuständige BearbeiterIn im Sozialamt, ohne medizinische Ausbildung und spontan nach eigenem Ermessen.

Bezug von Leistungen
Der Sachleistungsbezug lässt sich in vielerlei Form umsetzen, letztendlich bestimmen die zuständigen Behörden vor Ort (zum Beispiel Bezirksämter, Sozialbehörden etc.), wie die Vorgaben umgesetzt werden. Deutlich wird die Intention der Kontrolle, Regulierung und Abschreckung vor allem auch daran, dass Bargeldauszahlungen im Vergleich zu Chipkarten oder Wertgutscheinen eine kostensparendere und mit weniger Verwaltungsaufwand zu betreibende Variante sind. Der Staat lässt sich die soziale Abwertung von Flüchtlingen also einiges kosten.
Generell führt das Sachleistungsprinzip dazu, dass nicht gespart werden kann, eine Übertragung auf den folgenden Monat oder eine Umwidmung der jeweiligen Posten nicht möglich ist. Nicht ausgegebenes Guthaben verfällt und begründet sehr oft auch eine Kürzung der Leistungen, da ja nicht mehr benötigt wurde.

In Berlin wird das AsylbLG folgendermaßen umgesetzt:

Seit Mitte 2003 zahlt das Land Berlin allen Flüchtlingen, die sich im Asylverfahren befinden und die so in die Zuständigkeit des Landes fallen, Bargeld aus. Dies ist ein Teilerfolg der Aktionen und Kritik flüchtlingspolitischer und antirassistischer Gruppen und der vielfältigen Unterstützung, die die Flüchtlinge von euch bekommen haben.
Menschen mit Duldung oder solche, die in ei-ner eigenen Wohnung wohnen (vor dem 13.12.2003), werden von den Bezirken versorgt, die in Eigenregie die Ausgabe der Sozialhilfe regeln. Die Zuständigkeit der jeweiligen Bezirke ergibt sich jedoch nicht aus dem jeweiligen Wohnort, sondern ist nach dem Geburtsdatum des Haushaltsvorstandes geregelt. Dies bedeutet z.B. für Flüchtlinge, die in Weißensee wohnen, jeden Monat den Weg zum Neuköllner Sozialamt zurücklegen zu müssen. Nachdem das Land die Bargeldauszahlung beschlossen hatte, folgten ihnen die Bezirke Mitte (inkl. Ex-Bezirke Tiergarten und Wedding)und Tempelhof-Schöneberg, die bis dahin auch Sachleistungen in Form von Chipkarten ausgezahlt hatten. Sachleistungen werden heute noch von den zwei CDU / FDP regierten Bezirken Spandau und Reinickendorf (beide Chipkarten) ausgegeben, sowie von Neukölln (Gutscheine), Der Bezirk Neukölln stellt u.a. deshalb einen Sonderfall dar, weil die Bezirksverordnetenversammlung im Sommer 2003 mehr-heitlich eine Wiederaufnahme der Bargeldaus-zahlung beschlossen hatte, der Sozialstadtrat Büge (CDU) sich aber diesem Votum widersetzt und dies mit seiner rassistischen Rechtsauslegung begründet.

Wertgutscheine der Firma ACCOR wurden im August 1999 in Neukölln eingeführt und nur hier ausgezahlt. Diese funktionieren wie Bargeld, gelten aber nur in relativ wenigen Läden. Dies bedeutet in der Regel weite Wege zu den Läden und so von dem »Taschengeld« zu bezahlende BVG-Tickets. Wenn der Gutscheinwert den Preis der Waren übersteigt, dürfen maximal 10% des Wertes in bar zurückgegeben werden. In der Regel zahlen die Läden aber kein Wechselgeld aus, da dies eine Kann-Regelung sei und sie diesen zusätzlichen Mehrwert gerne selber einstreichen. Dies ist eindeutig eine gesetzeswidrige Bereicherung durch die Überauslegung rassistischer Gesetze. (vgl. Kapitel Alltag).

Die Chipkarten werden monatlich beim Sozialamt aufgeladen, Einkaufen ist nur in Läden möglich, die mit entsprechenden Lesegeräten ausgestattet sind. Abgebucht wird wie bei EC-Karten mit einem PIN-Code. Das Guthaben auf der Karte ist in verschiedene »Bereiche« aufgeteilt (Kleidung, Verpflegung), ein Verschieben von Beträgen ist nicht möglich. Den Bezirksämtern ist es technisch möglich, die Einkäufe detailliert zu verfolgen. Das wird - aufgrund der Kontrollmöglichkeit - als Vorteil der Karte gepriesen, ebenso wie die Möglichkeit, diese bei Verlust (oder "Missbrauch") sperren zu lassen. Dieses optimierte System lassen sich die Behörden auch einiges kosten: damals zahlten sie rund 7000 Mark für das Aufstellen eines Ladegeräts und der Ausstattung des Arbeitsplatzes, zuzüglich einer notwendigen Schulung der Angestellten.

Kostenübernahmescheine werden von allen Bezirken an diejenigen Menschen ausgege-ben, die nicht "kooperieren" und denen unter-stellt wird, nur zum Erhalt von Sozialleistungen in die BRD gekommen zu sein (AsylbLG §1a). Auf diesen Scheinen ist immer der Name und der Aufenthaltsstatus vermerkt und der dazu-gehörige Pass muss beim Einkauf immer vor-gezeigt werden, die Quittung über das, was eingekauft wurde, bekommt das Sozialamt zur Kontrolle. Es wird kein Wechselgeld herausge-geben und es darf auch nicht, wie bei den Gutscheinen, mehr gezahlt werden. Das bedeutet einen Einkauf mit dem Taschenrechner. In der Regel gibt es einen Kostenübernahmeschein für zwei Wochen über ca. 70 Euro, der bei einem Einkauf in einem Laden eingelöst werden muss. Frisches Obst oder Brot sind so nicht vorgesehen - zumindest nur einmal alle zwei Wochen. Diese Kostenübernahmescheine sind die übelste Form rassistischer Bevormundung und bei diesen Einkäufen müssen die Betroffenen immer mit dabei sein, dafür gelten sie in allen Läden. Wir vermitteln auch immer wieder solche Kontakte an WGs oder Cafés, die dann regelmäßig mit diesen Menschen einkaufen gehen. Wenn ihr sowieso alle zwei Wochen bei einem Billigdiscounter für ca. 70 € einkaufen geht, dann meldet euch bei uns.

Fresspakete werden von der Berliner "Zentralen Aufnahmestelle" (ZAst) in Berlin-Spandau (Motardstrasse 101a) sowie in einigen Heimen ausgegeben, in denen Menschen »freiwillig« auf ihren Abschiebetermin warten. Dies bedeutet fremd bestimmtes Essen zu festgelegten Zeiten, kein Bargeld oder Sachleistungen und neben der Entmündigung dieser Menschen eine Mangelernährung. Der Aufenthalt in der ZAst ist generell gesetzlich auf maximal drei Monate beschränkt, danach werden die Menschen auf die Gemeinschaftsunterkünfte verteilt. Die Heime, in denen Fresspakete ausgegeben werden sind heimliche »Ausreiseeinrichtungen«, hier werden Menschen untergebracht, die »freiwillig« in ihre Abschiebung eingewilligt haben und nun auf den Termin warten. Diesen Menschen ist jeglicher Barbetrag gestrichen, versorgt werden sie mit drei Mahlzeiten pro Tag.

Der Alltag



Gutscheine und Chipkarten
Für Flüchtlinge und Asylsuchende, die Wertgutscheine oder Chipkarten statt Bargeld erhalten, bedeutet dies schon in der normalen Alltagsorganisation große Ein- und Beschränkungen:

Stell dir vor, ein Flüchtling, nennen wir ihn Farid, geht einkaufen: In der Tasche hat er einen 5€ und zwei 10€-Gutscheine. Endlich hat er sich errechnet, dass es sich lohnt, diese auszugeben. Denn er bekommt höchstens 10% des Wertes seines Gutscheines als Wechselgeld Er geht in den Supermarkt, der seine Gut-scheine annimmt, und legt in den Einkaufswagen: Zwei Päckchen Spaghetti, Stückpreis -,79€, das macht zusammen ungefähr 1,60€, ein Stück Butter zu 89 Cent, also insgesamt ca. 2,50 €, drei Dosen Tomaten, ... wie viel war es noch mal? O je, alles von vorne, das fängt ja gut an...
Wenn die Waren, die Farid kaufen möchte, den Wert seines Gutscheines übersteigen, hat er ein Problem: Er muss den Rest mit Bargeld begleichen, falls er welches hat. Am Schluss merkt er noch, dass er trotz seines Rechnens kein Wechselgeld herausbekommt, denn de facto gibt es in keinem Berliner Geschäft diese 10% zurück. Die Argumentation der Läden ist, dass dies eine Kann-Regelung sei und die Supermärkte die Differenz halt lieber als zusätzlichen Mehrwert einstreichen. Dies ist sogar aus kapitalistischen Gesichtspunkten eine kriminelle Aneignung.

Aber Farids Probleme hören hier nicht auf: er braucht z.B. dringend einen Block für den Deutschunterricht (oder das Errechnen seiner Ausgaben...). Diesen bekommt er nur in dem Schreibwarenladen gegenüber, dem einzigen Geschäft in der Stadt, welches Schreibwaren verkauft und Gutscheine annimmt. Der Monat neigt sich dem Ende zu, Farid hat kein Bargeld mehr. So greift er zum Gutschein mit dem geringsten Betrag, den er gerade besitzt: 5 €. Davon könnte mensch drei Blöcke kaufen, aber andere Schreibunterlagen braucht er nicht. Obwohl ihm das Geld an anderer Stelle fehlt, kauft er tatsächlich drei Blöcke - irgendwann wird er sie schon gebrauchen können.

Flüchtlinge, die ihre Sozialleistungen über eine Chipkarte bekommen, erhalten nur eine pro Familie. Auf dieser sind sämtliche Gelder für alle Familienmitglieder für einen Monat verbucht. Mensch stelle sich vor, was für Schwierigkeiten entstehen, wenn diese eine Karte, von der die ganze Familie versorgt wird, verloren geht. Abgesehen davon muss eine Familie täglich Organisationstalent beweisen, um zu regeln, welche Person die Karte wann benutzen kann.
Mit beiden Zahlungsarten sind die Flüchtlinge auf wenige, meist teure Läden angewiesen. Diese Einschränkung gilt vor allem für die Chipkarten, da die Gutscheine in mehr Läden gelten, wo auch ein paar Billigläden dabei sind. Kostenübernahmescheine gelten in allen Läden.

Wenn Farid einen Kostenübernahmeschein hat, z.B. über 66,76 € und nur für einen bestimmten Posten gültig, z.B. Nahrungsmittel oder Winterbekleidung, wird es umso schwieriger: Gutscheine und Bargeld (falls er welches hat) werden nicht zusammen angenommen, es entsteht eine lange Schlange murrender Menschen hinter ihm, er muss überlegen, was er entbehren kann. Außerdem muss Farid das alles in einer Sprache regeln, die er vielleicht noch nicht so gut beherrscht oder gar nicht kann. Wenn er weniger Geld ausgibt, als sein Gutschein zulassen würde, hat Farid auch ein Problem: der restliche Wert des Gutscheines verfällt, und das kann er sich nicht leisten. Es gibt aber auch KassiererInnen, die hier ihren persönlichen Rassimus ausspielen und meinen, der verfallende Restbetrag müsse dann mit Tüten aufgefüllt werden. Die KassiererInnen beziehen sich dabei dann auf eine Erklärung auf der Rückseite des Kostenübernahmescheins, die besagt, der Einkauf müsse sich genau mit den Betrag des Scheines decken. Wir sind bis auf 3 Cent an einen solchen Betrag herangekommen, mit einem Rechner, viel Geduld und dem ständigen Gefühl, bei dem Einkauf mit dem Rechner in der Hand irgendwie aufzufallen. Deshalb bedeutet der Einkauf mit einem Kostenübernahmeschein neben der öffentlichen Stigmatisierung eigentlich immer den Einkauf mit dem Taschenrechner, denn wenn es 5 Cent zuviel sind, muss halt die Nudelpackung vom Band.
Viele Menschen, die auf diese Bezahlungssysteme angewiesen sind, haben Probleme, Dinge zu besorgen, die mensch nur in bestimmten Geschäften einkaufen kann, wie z.B. Medikamente - es gibt in ganz Berlin nur zwei Apotheken, die die Chipkarten akzeptieren.

Eine Frau, die Drillinge bekommen hatte, brauchte jeden Monat sehr viele sehr kleine Windeln. In den Geschäften, in denen sie solche Windeln bekam, konnte mensch nicht mit Gutscheinen bezahlen. Ein Antrag beim Sozialamt auf Bargeld für diesen Zweck wurde abgelehnt (vgl. Umtausch, 2000).

Weitere Einschränkungen beim Einkauf
Bei Chipkarten und Kostenübernahmescheinen ist im Gegensatz zu den Gutscheinen genau festgelegt, ob mensch Kleidung oder Nahrungsmittel einkaufen darf. Die Chipkarten-Betreiberfirma Infracard wirbt für Chipkarten damit, dass mensch "Börsen" für verschiedene Zwecke einrichten kann, bisher ist eine Börse für Kleidung und eine für Lebensmittel einge-richtet. Weder mit Gutscheinen noch mit Chipkarten oder Kostenübernahmescheinen kann mensch Alkohol oder Tabak kaufen. Diese Festlegung der Ausgaben auf ganz bestimmte Dinge ist, neben den vielen praktischen Problemen, vor allem entmündigend.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die AnwältInnen, ohne die ein Asylverfahren in der Regel fast aussichtslos ist oder Sprachkurse, die viele Flüchtlinge besuchen wollen und so nicht bezahlen können. Auch für Verkehrsmittel ist Bargeld immer knapp, die Finanzierung mit Gutscheinen oder Chipkarten jedoch nicht möglich. Das AsylbLG bedeutet durch den Ausschluss von notwendiger AnwältInnenunterstützung neben der sozialen Desintegration ein administratives Mittel, die Anerkennungsquote niedrig zu halten.
Die Frage, was mensch nun machen soll, ist zynisch: Prioritäten setzen? Irregulär arbeiten und dadurch endgültig zur "kriminellen AusländerIn" werden? Die Gutscheine auf dem "Schwarz"markt umtauschen, damit auch gegen Gesetze verstoßen, sich in Gefahr begeben und gleichzeitig noch 10-30% des Wertes verlieren? Denn das ist der Preis für dieses allgemein verbreitete und gezwungenermaßen "in Kauf" genommene Geschäft.

Sparen
Gutscheine und die Beträge, die auf die Chipkarte gezahlt werden, haben ein Verfallsdatum. Das Geld für einen Wintermantel zu sparen, ist so unmöglich, Sachfremde Dinge können sowieso nicht bezahlt werden. Gleichzeitig sind die "einmaligen Leistungen" des Sozialhilferechts wie z.B. Bekleidungsgeld gestrichen. Während das "Haltbarkeitsdatum" der Gutscheine spätestens drei Monate nach Erhalt abläuft, verfällt der auf Chipkarten geladene Betrag, wird er nicht genutzt, in der Regel am Monatsende, teilweise werden in Berlin die Chipkarten aber auch für zwei oder drei Monate aufgeladen.

Diskriminierung
Natürlich bedeutet die Auszahlung der Leistungen in Gutscheinen, Chipkarten, Essenspaketen und Fertigverpflegung eine politische Diskriminierung, die mensch (zur Zeit) keinem/r InhaberIn eines deutschen Passes zumuten würde.
Die Auszahlung in Form von Sachleistungen bedeuten im Kapitalismus eine direkte Entmündigung, da den Menschen die Möglichkeit genommen wird, sich das Geld, das ihnen zur Verfügung steht, selbst einzuteilen. Aber auch in der konkreten Situation des Einkaufs fühlen sich viele Menschen von den Blicken der anderen KundInnen diskriminiert, wenn sie nicht mit "wahren Euro" zahlen können oder wenn der/die KassiererIn plötzlich unfreundlicher wird als bei der Person, die vor einem/r in der Schlange stand. "Kein Lächeln, kein 'Guten Tag', kein 'Auf Wiedersehen'. Gutscheine zu haben, bedeutet für diese Leute Dieb, Krimineller, Zukurzgekommener zu sein" (Adekambi in: Umtausch, 2000). "Die anderen Leute sehen auf uns herab. Ich glaube, sie denken, dass wir Bettler sind" (Issa in: Umtausch, 2000). So wird öffentlich das rassistische Bild des Flüchtlings produziert, der dem Staat auf der Tasche liegt und gleichzeitig nicht arbeiten will.

Essenspakete
In einigen Gegenden der BRD wird das Essen auch außerhalb der Erstaufnahme- oder Ausreiseeinrichtungen in fertigen Paketen ausgegeben.
"In Heidelberg [...] testeten 58 HeidelbergerIn-nen eine Woche lang die Esspakete. Die Bilanz: Alles, was wir als gesund ansehen, Milch, Obst, Gemüse, Säfte, fehlte. 19,80 DM brauchten die Leute im Durchschnitt pro Woche, um sich das zu kaufen, was die Pakete nicht beinhalteten, von den Getränken bis zum Salz. Schwer fiel es allen, den Gebrauch vorausschauend zu planen, weil unklar war, was im nächsten Paket sein würde. Den Widersinn solcher Esspakete zeigt auch ein folgendes Beispiel: Eine siebenköpfige Familie in Neustadt erhielt unter anderem sieben Flaschen Essig" - Salat war übrigens keiner vorgesehen (Rosner, 1996).

Fertigverpflegung
Eine besondere Schikane stellt die Fertigverpflegung dar, die seit Jahren in der Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin-Spandau üblich ist und 1999 auf weitere Heime ausgeweitet wurde. Die BewohnerInnen erhalten ihre gesamte Nahrung fertig zubereitet in einzelnen Portionen. Berichten zufolge kann das Essen selbst bereits als Zumutung angesehen werden - den Gewohnheiten vieler BewohnerInnen entspricht es sowieso nicht. Vor allem aber ist durch diese Art der Ernährung die Fremdbestimmung der BewohnerInnen perfekt.
Residenzpflicht, Arbeitsverbot, Unterbringung in Lagern, die ungewisse Zukunft und die individuelle Vergangenheit, welche die Menschen zur Flucht bewogen hat, die Flucht selber sowie der Verlust soziokultureller Bindungen bedeuten für die meisten Menschen bereits eine erhebliche psychische Belastung. Wenn in dieser zermürbenden Untätigkeit auch noch Einkauf, Zubereitung der Mahlzeiten und die eigene Wahl des Essenszeitpunktes wegfallen, entfällt gleichzeitig ein weiterer Aspekt eigenständiger Lebensplanung. Von den großen Wohlfahrtverbänden wurde wiederholt auf die psychischen Folgen dieses »Lagerkollers« hingewiesen, Langweile, Apathie und Depressionen, Perspektivlosigkeit und akute Angstzustände.
Ein anderer bedeutender Faktor ist das Essen als soziales Ereignis. Bereitet mensch das Essen selber zu, kann mensch die Menge bestimmen und FreundInnen oder Bekannte dazu einladen. Was es für die jeweiligen Menschen bedeutet, in der Abgeschiedenheit des Heims (die durch räumliche Lage und/oder rassistische Ausgrenzung zustande kommt) auch noch auf diese Zusammenkünfte zu verzichten, kann mensch sich nur schwer ausmalen.

Anbieter von Gutscheinen und Chipkarten

Die Gutschein- und Chipkartensysteme werden von privaten Dienstleistungsfirmen angeboten. Bundesweit übernimmt meistens SODEXHO die Abwicklung der Wertgutscheine, in Berlin ACCOR. Das Chipkartensystem, das von zwei Bezirken Berlins praktiziert wird, wird von der Firma INFRACARD angeboten, die 1999 mehrheitlich von SODEXHO gekauft wurde.

Vorteile für die Kommunen
Die eigentliche Dienstleistung dieser Firmen besteht darin, zwischen Kommunalverwaltung und Flüchtlingen als Puffer zu fungieren: politische Handlungsmöglichkeiten sowie Beschwerdemöglichkeiten bei alltäglichen Problemen von Seiten der Flüchtlinge verschwinden, da sich die Verantwortung zwischen Firma, Einzelhandel und Kommune bestens wechselseitig zuschieben lässt, also niemand zuständig ist.
Weitere Vorteile von Wertgutscheinen und Chipkarten für die Kommunen nennen Sodexho und Infracard auf ihren Internetseiten (www.sodexho-pass.de/ www.infracard.de):

"Festlegung der räumlichen und zeitlichen Geltungsbereiche" (z.B. Verfall des Restguthabens bzw. der Gutscheine am Ende eines Monats), "Bestimmung des Verwendungszwecks", also der Ausschluss von Zigaretten und Alkohol oder Dingen, die es in den Supermärkten nicht gibt, keine Wechselgeldrückgabe, Personenbindung der Gutscheine, Möglichkeit der Kartensperrung bei angeblichem Missbrauch und nicht zuletzt "Nachvollziehbarkeit der Einkaufstransaktionen" beim Chipkarteneinkauf.
Die Kommunen lassen sich diese Vorteile etwas kosten: die Stadt Hannover zahlt beispielsweise für das Gutscheinsystem jährlich eine viertel Million Euro. Billiger wäre es, einfach Bargeld auszuzahlen.

Das Chipkartensystem
Das Chipkartensystem funktioniert so: Das Sozialamt muss mehrere Chipkartenaufladege-räte kaufen, die Geschäfte die dazugehörigen Lesegeräte. Infracard verfügt über eine zen-trale Datenerfassungsstelle, an der alle Daten gesammelt und an das Sozialamt weitergeleitet werden. Die Sozialämter müssen 1 bis 2 Pro-zent der ausgezahlten Sozialhilfe an den Chip-kartenhersteller (Infracard) zahlen, die Läden zahlen ca. 1,5% Prozent des Umsatzes.

Die Firmen

Accor

Accor ist ein französisches Unternehmen, das zu den größten Dienstleistungskonzernen der Welt gehört. Nach eigenen Angaben ist es europäischer Marktführer in den Bereichen Reisen, Tourismus und Unternehmensdienst-leistungen (Hotellerie, Reisebüros, Restaurants, Casinos und Dienstleistungs-Gutscheine). Bekannte Hotelketten des Unternehmens sind Sofitel, Novotel, Mercure, Pannonia, Ibis, Etap, Formule 1.
Accor hat 170.000 Aktionäre, besitzt ca. 4.000 Hotels in 72 Ländern, mit insgesamt 157.000 MitarbeiterInnen in 140 Ländern und hatte 2002 einen Umsatz von 7,12 Mrd. Euro und einen Netto-Gewinn von 430 Mio. Euro.
Der Konzern ist im Geschäft mit Flüchtlingen nicht unbekannt: 1999 gab es in Frankreich Protestaktionen der Sans Papiers gegen die zu Accor gehörige Hotelkette Ibis, um gegen die Vermietung von Gebäuden an das Innenmini-sterium als Wartezonen für Abschiebungen zu protestieren. Proteste gab es auch gegen das Reisebüro Wagon-Lits-Travel des Accor-Konzerns, das Plätze in Zügen und Flugzeugen für Abschiebungen reserviert.

Die bewusst missverständlich "Service-Card" genannte Chipkarte von ACCOR wird von den Städten Plauen (Sachsen) und Stuttgart (Baden-Württemberg) verwendet, dort unter Verwendung eines Fotos auf der Karte .

Sodexho
Sodexho, ein multinationales Unternehmen mit Hauptsitz in Frankreich, ist weltweiter Marktführer im Bereich Kantinen und Dienstleistung, ebenso weltweiter Marktführer in der Belieferung von "Versorgungsstützpunkten", womit Verpflegung und Unterkunft, aber auch Abfallrecycling, Trinkwasseraufbereitung und sogar Klimaanlagen auf Förderinseln, in Grubenanlagen, für Militärstützpunkte und auf Großbaustellen gemeint sind. Sie bieten außerdem Dienstleistungsschecks und -karten, Binnenschiffahrts- und Veranstaltungscatering an. Die Dienstleistungsschecks und -karten werden neben dem Geschäft mit Flüchtlingen zur Bezahlung in Restaurants, für Kinderhorte, Reinigungsdienste etc. eingesetzt.
Was sich erst mal so nett liest, bedeutet aber für viele Betroffene Knast, Zwangsverpflegung, Überwachung und rassistische Schikane.
Sodexho ist weiterhin einer der größten Investoren im Betrieb privater Knäste in Australien und Europa. In der BRD ist das Unternehmen in der Unterkunfts- und Verpflegungsbranche tätig und will künftig mit der Sodexho-Anstaltsbewirtschaftungs GmbH (SODAB) in das private Knastgeschäft in der BRD einsteigen.
In den USA war die Tochterfirma Sodexho-Marriot bis Mai 2001 Teilhaberin des größten privaten Gefängnisbetreibers Corrections Corporation of America (CCA). Die CCA ist in den USA das Symbol für die neue "moderne Sklavenarbeit" privater Gefängnisse der überwiegend nichtweißen Häftlinge geworden. Auch in Frankreich profitiert das Unternehmen an fünf teilweise privatisierten Haftanstalten. Im Jahr 2000 erzielten sie mit diesem Geschäft dort einen Umsatz von 60 Mio. Mark. In Großbritannien stellt die Gesellschaft privates Sicherheits- und Wachpersonal in Gefängnissen. Im brandenburgischen Großbeeren (bei Berlin) plant Sodexho zusammen mit dem Land Berlin den teilweise privaten Betrieb eines neuen Gefängnisses. Der Verkauf der Anteile der "Corrections Corporation of America" bedeutete aber keineswegs den Beginn eines Ausstiegs aus dem Knast-Business: Sodexho hat dafür die "Australian Integrated Management Systems" (AIMS) und die "United Kingdom Detention Services" (UKDS) komplett über-nommen. Beide Firmen unterhalten Abschiebe- und "normale" Knäste. Wir vermuten zudem, dass sich die Sodexho-Anstalts-Bewirtschaftungs Gesellschaft (SODAB) für den Betrieb des BRD-weit ersten (teil-) privatisierten Knast in Hünfeld (Hessen) beworben hat. Mitte 2004 wird sich vermutlich herausstellen, ob Sodexho die "billigste" Bieterin für diese öffentliche Ausschreibung war.
Zum Bereich Gemeinschaftsverpflegung und Dienstleistung gehören u.a. Großküchen, Kantinen, Wäschereien etc. in Krankenhäusern, Altenheimen usw.
Die Binnenschiffahrts- und das Veranstaltungscatering umfassen Empfangsdienste, Dekora-ion, Bewirtschaftung u.v.a.m.

In Berlin beliefert Sodexho außerdem mit ihrer Tochterfirma Bärenmenü die Schulspeisung in vielen Berliner Schulen.
Zu ihren Kunden weltweit gehören Öl- und Gasmultis wie Agip, BP, TotalFina, Elf, Exxon, Shell und andere.

Sodexho umfasst 24.700 Betriebe auf 5 Kontinenten mit 315.000 Arbeitskräften. Umsatz 2001: 12.612.000 €.

Infracard
Die Firma Infracard wurde 1998 in Reaktion auf eine öffentliche Ausschreibung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Berlin gegründet. Ausgeschrieben war die Versorgung von HilfeempfängerInnen auf Basis eines Chipkartenverfahrens. 1999 wurde Infracard von Sodexho aufgekauft. Ungeklärt bleibt, ob Infracard vor 1999 zum Dussmann-Konzern gehörte. Mittlerweile verwenden nach unserem Kenntnisstand folgende Städte und Gemeinden das Chipkartensystem für Flüchtlinge:

Bezirke von Berlin:
BA Reinickendorf
BA Spandau

Niedersachsen:
Stadt Osnabrück

Nordrhein-Westfalen:
Stadt Oelde

Brandenburg:
LK Märkisch-Oderland
LK Havelland
Thüringen:
Stadt Gera
Stadt Suhl
LK Schmalkalden-Meiningen
LK Wartburgkreis
LK Hildburghausen
LK Sonneburg

Dabei arbeitet Sodexho mit folgenden Groß-handelsketten zusammen:
C&A, EDEKA, Marktkauf, EXTRA, Kaufland, REWE, Penny Markt (nicht in Berlin nicht) und Woolworth.
Infracard betreibt in Stuttgart und Böblingen das Familien-Card System (elektronisch abrechenbre Freizeitangebote für Jugendliche zur frühzeitigen Akzeptanzbeschaffung) wie auch das Service-Card System in Frankfurt/Main (Chipkarten für die Abrechnung von Behindertenfahrdiensten).

Widerstand
Widerstand gegen die gezielten Verschlechterungen der Lebensbedingungen von Flüchtlingen regte sich vielerorts und sofort nach der ersten rechtlichen Diskriminierung von Flüchtlingen im Rahmen des BSHG 1982 - Beginn der Lagerunterbringung, der Kürzung der Sozialhilfe und der Auszahlung von Sachleistungen - und nach der Verabschiedung des AsylbLG: Von einzelnen betroffenen Flüchtlingen, teilweise von organisierten Gruppen in Lagern und Heimen sowie in Zusammenarbeit mit gemischten Gruppen, gab es seit der Einführung des AsylbLG im November 1993 einzelne sowie kollektive Proteste und Aktionen. Die Formen des Widerstands reichten von Protestbriefen bis zu Hungerstreiks, von Demonstrationen bis hin zum militanten Vorgehen gegen die ProfiteurInnen. Erfolg und öffentliche Anerkennung waren den Aktionen von Fall zu Fall unterschiedlich stark beschieden, wobei teilweise Kommunen zu einem Ausstieg gebracht werden konnten. Klar ist jedoch: Solange die Abschreckungspolitik fortgesetzt wird, wird der Widerstand dagegen nicht abnehmen.

Leipzig
"Am 11. Oktober 1994 entschlossen sich elf Frauen aus dem Heim in der Lilienstraße zu einer regelrechten Verzweiflungstat. Mit ihren Kindern gingen sie zum Sozialamt am Ratzelbogen und verlangten dort die künftige selbstständige Versorgung. [...] Vergebens. Daraufhin begaben sich die Frauen in den im gleichen Komplex befindlichen Supermarkt, nahmen Einkaufswagen und ließen die ausgewählten Waren an der Kasse eintippen. Als es ans Bezahlen ging, erklärten sie, der Chef des Sozialamtes werde bezahlen". Die Frauen wurden verhaftet und anschließend auf dem Polizeipräsidium wie Schwerverbrecherinnen behandelt. (Pro Asyl & Flüchtlingsrat Nieder-sachsen: Das Ausländerleistungsgesetz, Juli 1995, S. 62-63)

Berlin
Eine der gemeinschaftlichen Aktionen im Raum Berlin war die Aktion "Bargeld für alle" der "Initiative gegen das AsylbLG". Ähnlich wie auch bei späteren Umtauschaktionen wurde der Versuch unternommen, Flüchtlingen, die dem Sachleistungsprinzip unterworfen waren, die mit (damals vorrangig Gutscheinen) erstandenen Waren abzukaufen und ihnen damit zu ermöglichen, selbstbestimmt mit Bargeld einkaufen zu gehen. Von der Gruppe, die den Flüchtlingen die Waren abnahmen, konnten und sollten solidarische Menschen beispielsweise größere Mengen Kaffee oder Waschmittel abkaufen. Direktkontakte zwischen Flüchtlingen und überwiegend deutschen Leuten waren ein angestrebter Nebeneffekt der Aktion. Verschiedene Anläufe mit unterschiedlichem Aufwand an Öffentlichkeitsarbeit wurden unternommen.
Seitens der Flüchtlinge war das Interesse an der Aktion über die gesamte Dauer groß, die Unterstützung für das Projekt durch die EndabnehmerInnen jedoch versackte mehr und mehr. Aus einem Flugblatt der Initiative aus dem Jahr 1996: "Wir mussten jedes Mal mehr Geld vorstrecken, im Juni waren es 4000, im Juli dann 6000 Mark. Außer zwei Gruppen, die regelmäßig Waren abnahmen, wurden die KäuferInnen nicht mehr, so dass wir regelmäßig auf einem Berg Kaffee, Süßigkeiten, Waschpulver usw. saßen und relativ pleite waren."
Wieder aufgenommene massive Proteste führten dann bei der sich antirassistisch gebenden SPD-PDS-Regierung zu dem Erfolg der Bargeldauszahlung an Flüchtlinge auf der Landesebene und einer angestrebten Unterbringung in Wohnungen. Trotz antirassistischer Parolen steht der Kostenfaktor ganz vorne in ihrer Argumentationskette.

Reutlingen
Aus der Erklärung eines Hungerstreiks vom Mai 1995:
"Vier bis acht Personen sind in einem einzigen Zimmer untergebracht - für mehr als die Betten ist kein Platz in den Räumen. Je 100 Personen müssen sich eine Toilette, eine Dusche und eine Küche teilen. Überall herrschen deshalb Schmutz und Unrat. Wir erhalten kein Geld für den Lebensmitteleinkauf; stattdessen werden Essenspakete verteilt, deren Zusammenstellung unzureichend ist und den Bedürfnissen der aus unterschiedlichen Kulturen stammenden Menschen nicht entspricht. Es geht uns nicht nur um materielle Werte - es geht uns auch darum, als Menschen anerkannt zu werden. Wir wehren uns gegen neuerliche Unterdrückung, gegen die Einschränkung der Menschenrechte in einem Land, in dem wir Zuflucht suchen." (Pro Asyl & Flüchtlingsrat Nieder-sachsen: Das Ausländerleistungsgesetz, Juli 1995, S. 62-63)

Unsere Einschätzung
Gutschein- und Chipkartensystem sind Teil einer Abschreckungspolitik gegen Flüchtlinge, die die Lebensumstände von hier mit einem prekären Aufenthaltsstatus lebenden und neu in die BRD kommenden MigrantInnen so unerträglich wie möglich machen sollen. Gutscheine bzw. Chipkarten, erzwungene Lagerunterbringung, Residenzpflicht und Arbeitsverbot sind die wesentlichen Säulen dieser auf Abschreckung und Diskriminierung beruhenden Politik.

Obwohl diese Abschreckungsmaßnahmen gegenüber "humaneren" Umgangsformen mit MigrantInnen enorm teuer sind, gibt es auch seit dem Antritt der rot-grünen Bundesregie-rung keine ernsthaften Ansätze, dieses System der Diskriminierung zu lockern.
Auch die Reformansätze der Grünen beschränken sich auf das Ziel, Einwanderung staatlich zu regulieren, das heißt vor allem, sie nach wirtschaftlichen Vorgaben des »Standorts Deutschland« neu zu ordnen. Flüchtlinge fallen als wirtschaftlich unbrauchbar aus den Berechnungen der »aus bevölkerungspolitischen und arbeitsmarktorientierten« notwendigen Zuwanderung heraus. Repression in Form von Residenzpflicht und Abschiebehaft bleibt unvermindert bestehen. Die Palette wird sogar noch in den Repressionsstufen »verfeinert«, mit den neuen »Ausreisezentren«.
Hin und wieder sind Änderungen im Gespräch: Parteiübergreifend und profitorientiert wird diskutiert, was dem »Standort Deutschland« wirtschaftliche Vorteile bringen könnte. In diesem Kontext wurde eine beschränkte Lockerung des Arbeitsverbots beschlossen; aber auch die Verschärfung des AsylbLG (von eini-gen SPD-Landesregierungen und der CDU gefordert) steht zur Debatte: AsylbewerberInnen sollen ihrer Meinung nach länger als die bisher üblichen drei Jahre von der Sozialhilfe ausgenommen sein und dem AsylbLG unterliegen.

Dennoch könnte das Ausloten eines 'neuen »Konsens«' zwischen Regierungsparteien und CDU/CSU auch für linke Politik einen gewissen Handlungsspielraum eröffnen und diese so aus der frustrierenden Defensivhaltung der letzten Jahre holen. Wenn die Regierung beispielsweise über die Legalisierung von so genannten Illegalen unter Regulierungsaspekten diskutiert, kann dem der Anspruch aller Flüchtlinge auf einen legalen Aufenthalt hier entgegenge-setzt werden.

Das Asylbewerberleistungsgesetz dient allein der Diskriminierung eines Teils der Bevölkerung: Flüchtlinge werden aus der normalen Sozialgesetzgebung herausgenommen. Es gehört deshalb nicht reformiert, sondern abgeschafft. Nur in diesem Kontext wollen wir unsere Aktivität, Flüchtlingen den selbst bestimmten Einkauf zu ermöglichen, verstanden wissen. Durch diese praktische Unterstützung, dessen sind wir uns bewusst, wird weder das Asylbewerberleistungsgesetz noch die bundesdeutsche Asylpolitik als solche in Frage gestellt. Dennoch sehen wir die pragmatische Hilfe für einzelne Flüchtlinge oder Flüchtlingsfamilien in ihrem konkreten Alltag als notwendig an. Deswegen erhoffen wir uns die Unterstützung vieler, um die menschenverachtenden Gesetze zu unterlaufen. Unserer Auffassung nach braucht es beides: eine solidarische Zusammenarbeit mit Flüchtlingen und MigrantInnen einerseits, eine eindeutige Positionierung gegen die bundesdeutsche und europäische Abschottungspolitik andererseits. Gleichzeitig muss organisierter Widerstand aufgebaut werden, und dies heißt auf allen Ebenen und mit allen Mitteln. Unsere Forderung muss heißen: Bleiberecht für alle, für freies Fluten und eine HERR-schaftsfreie Gesellschaft jenseits kapitalistischer Verwertungslogik.

Mit einer möglichen Ausweitung dieser Aktion des Gutscheinumtauschs kann nach Hildes-heimer Erfahrungen auch eine breitere Öffentlichkeit auf die Lebensumstände von Flüchtlingen hingewiesen werden. Wird das auch in Berlin der Fall sein?

Ein Bestandteil der Aktion soll auch sein, die Profiteure des Gutschein- und Chipkarteneinkaufs zu benennen. Ihre Namen findet ihr im entsprechenden Abschnitt.

Literatur
AStA der FH Hildesheim/ Holzminden/ Göttinen & Umtauschinitiative Hildesheim (Hrsg.) (2000). Umtausch: Broschüre gegen Ausgrenzung und Entrechtung von Flüchtlingen (vergriffen, aber im Internet unter: http://www.nds-fluerat.org/pdf/Umtausch.pdf).

Classen, Georg (2000): Menschenwürde mit Rabatt - Das Asylbewerberleistungsgesetz und was wir dagegen tun können, Karlsruhe

Heinhold, Hubert (2000): Recht für Flüchtlinge, Karlsruhe

Kühne, Peter und Rüßler, Harald (2000): Die Lebensverhältnisse der Flüchtlinge in Deutschland, Frankfurt a. M./New York

res publica: Ausreisezentren - der Reader, 6. Auflage (September 2003), München
Download unter: www.ausreisezentren.de

Rosner, J. (1996). Asylsuchende Frauen - Neues Asylrecht und Lagerpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. VAS: Frankfurt a.M.

Pro Asyl & Flüchtlingsrat Niedersachsen: Das Ausländerleistungsgesetz, erschienen im Juli 1995

Knast und Sodexho:
http://germany.indymedia.org/2003/03/44619.shtml
http://www.notwithourmoney.org/05_sodexho/sodexho.html

Knastprivatisierung allgemein:
Privatisation in criminal justice
Prison Privatisation Report International (PPRI):
http://www.psiru.org/justice/

Praktische Tipps für den Chipkarten-Einkauf

Vorbereitung
- Es gibt eine Liste mit Läden, die die Chipkarten oder die Gutscheine annehmen (siehe Anhang). Darunter sind vor allem Ketten wie Extra und Minimal, auch einige türkische Supermärkte, Billigketten wie Lidl und Aldi fehlen. Zumindest die Gutscheinliste ist leider nicht fehlerfrei: entweder das Sozialamt Neukölln arbeitet unkorrekt oder die VerkäuferInnen der aufgelisteten Geschäfte verweigern sich in Unkenntnis oder Ignoranz.
- Für die Flüchtlinge bedeutet die Verabredung bei einem Laden in Eurer Nähe vermut-lich einen gewissen Aufwand, außerdem müssen sie die U-Bahnkarte von ihren 41 Euro Taschengeld bezahlen. Deshalb ist es sinnvoll, sich einmal monatlich zu verabreden und dafür dann einen so hohen Betrag zu vereinbaren, damit es sich lohnt.
- Wenn ihr ohne die Betroffenen einkaufen wollt, sind Absprachen notwendig: Ihr müsst die Geheimzahl (vierstelliger PIN-Code) kennen und außerdem verbindliche Absprache mit der/dem EigentümerIn treffen, denn die Karte ist ja die einzige Einkaufsmöglichkeit für die Leute - deshalb kann die Karte nicht zu lange in eurer WG rumliegen.
- Diese Aufgabe übernehmen in der Regel wir, wir verleihen also während unserer Bürozeiten die Chipkarten der Flüchtlinge für eine oder zwei Wochen. Ihr solltet vorher überlegen, für wie viel Geld ihr ungefähr einkaufen gehen wollt um dieses Geld schon einmal anzuzahlen, damit die Flüchtlinge in der Zeit auch Geld zum Leben haben. Da die Gutscheine wie Bargeld funktionieren, verkaufen wir diese einfach 1:1 weiter.
- Solltet Ihr nicht allein eine größere Summe zusammenbekommen, dann tut Euch mit befreundeten WGs zusammen, kauft Kaffee für Eure Arbeitsstelle o.ä.. Mehr kann es immer sein, nur nicht weniger, weil die Flüchtlinge ja mit dem Bargeld rechnen.
- Wenn ihr regelmäßig mit einer Familie einkaufen gehen wollt, also eine sog. Patenschaft übernehmen wollt, dann vermitteln wir einmal den Kontakt, alles weitere müsst ihr dann eigenständig im Kontakt mit den von Sachleistungen betroffenen Menschen regeln. Hierbei sind regelmäßige und langfristig verabredete Termine wichtig, damit die Flüchtlinge mit den Aufladeterminen beim Sozialamt kalkulieren können. Entweder sie wollen davor noch mit Euch einkaufen, damit kein Restbetrag auf der Karte bleibt, der beim Aufladen verfällt. Oder es ist nicht mehr genug Geld auf der Karte und das Aufladen muss abgewartet werden.
- Die Kontaktaufnahme per Telefon ist besonders bei Flüchtlingen, die in Heimen leben, und WGs, die nur über Anrufbeantworter vernünftig zu erreichen sind, ziemlich schwierig. Daher am besten bei einem Einkaufstermin den nächsten ausmachen und dann nicht mehr verschieben.
Praktische Tipps für den Chipkarten-Einkauf

Beim Einkauf
- Achtung: Mit der Karte darf offiziell kein Tabak und kein Alkohol bezahlt werden! Es gibt aber VerkäuferInnen, die das zulassen. Einfach probieren, den Wein vorne aufs Band, dann klappt es relativ häufig.
- Bei den Gutscheinen gibt es trotz anders lautender Aufschrift kein Wechselgeld heraus. Protest dagegen ist gut, bringt aber nichts, also eher für nen Euro mehr einkaufen, um so auf keinen Fall den Läden was zu schenken.
- Die aktuelle Liste des Sozialamtes Neukölln ist leider nicht aktuell, wir haben die Liste im Anhang so verändert, dass die aufgeführten Läden auch die Gutscheine akzeptieren. Aber wenn ein Laden dabei ist, der trotzdem keine Gutscheine akzeptiert, dann mailt uns, wir verändern dann die Liste. mail: konsumfuerfreies-fluten@yahoo.com
- Um eine lohnende Summe voll zu kriegen und nicht enorme Massen aus dem Laden zu schleppen, empfehlen sich Kaffee (bei Extra gibt's immerhin Transfair-Kaffee), Waschmittel, Biomüsli....
- Weil das den Laden ziemlich aufhält, empfiehlt es sich, nicht zu Stoßzeiten wie Freitagabend einzukaufen. Hier ist aber auch die gegenteilige Vorgehensweise sinnvoll, vor allem wenn ohne die Betroffenen eingekauft wird: es kann eine Form des Widerstandes sein, dass sich die Menschen in den Läden über die Karten ärgern, die Diskriminierung so öffentlich diskutierbar wird, und die Läden langfristig aus dem System aussteigen.
- Es gab schon Verkäuferinnen, die meinten, sie müssten die Aktion als ungesetzlich bezeichnen oder sie wollten den »weißen« EinkäuferInnen nicht glauben, dass das ihre Karte ist. Es ist aber völlig legal, für eine kranke FreundIn einkaufen zu gehen. Im Zweifelsfall die GeschäftsführerIn rufen, die rassistische Diskriminierung öffentlich diskutieren und den normalen Konsumverkehr ein wenig aufhalten. In der Regel kann mensch dann ohne Probleme einkaufen, ansonsten die Lebensmittel auf dem Band liegen lassen. Aber, dies kommt unter 100 Einkäufen höchstens einmal vor, eher weniger. Es ist aber immer gut zu wissen, dass sogar das legale Recht auf unserer Seite ist, wenn wir für Flüchtlinge einkaufen gehen.
- In den Läden gibt es i.d.R. nur eine bestimmte Kasse, an der mit der Infracard bezahlt werden kann. Sie ist gekennzeichnet und es ist günstig, sich an genau dieser Kasse anzustellen, das erspart euch und allen Beteiligten eine u.U. nervige und blöde Diskussion. Kann aber auch anders gesehen werden und in der Regel muss der Einkauf wenn er mal eingescannt ist, nicht wieder zur anderen Kassen gebracht werden.
- Solltet Ihr unangenehme Erfahrungen mit VerkäuferInnen, FilialleiterInnen oder sonst wem machen, dann gebt das doch bitte an uns weiter. Wir versuchen dann, dies öffentlich zu machen und gegen diese persönliche Ver-schärfung staatlichen Rassismus zu protestieren. Weiterhin dokumentieren wir alle anderen Formen von Pannen, wie dem Ausfall von Le-segeräten, oder Formen der öffentlichen Diskriminierung in Bezug auf den Einkauf mit Sachleistungen. Hinweise bitte an:


konsumfuerfreiesfluten@yahoo.com

Chipkartenladenliste einsehen

Chipkartenladenliste zum Ausdrucken (download pdf)

Also noch einmal zum Schluss, wenn ihr mit Sachleistungen einkaufen gehen wollt, kommt zu unseren Bürozeiten einfach vorbei, ruft an oder schreibt uns ne Mail. Wir haben auch einen Mailverteiler, über den wir euch über weitere Protestaktionen wie Demos oder öffentliche Einkaufsaktionen informieren. Wenn ihr informiert werden wollt, dann mailt uns einfach kurz. Jetzt noch einmal unsere Adresse und Kontaktmöglichkeiten und bis bald.

Initiative gegen das Chipkartensystem
c/o Berliner Büro für Gleiche Rechte
im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalderstr. 4, 10405 Berlin
Tel: 030/41935839 (Do. 19:00 - 20:00), mobil: 0160/3410547
NEU: Bürozeiten: Do. 19-20 Uhr
http://www.chipkartenini.squat.net
konsumfuerfreiesfluten@yahoo.com
Adressen:
BRD-Zentrale von Sodexho-Pass:
Sodexho Pass GmbH
Russelsheimer Strasse 22
60326 Frankfurt/Main

Sodexho-Pass in Berlin:
Sodexho-Pass und
SODAB (private Knastbetrieb-Firma)
Mahlower Str. 24
12049 Berlin-Neukölln

andere Anschrift :
Sodexho-Pass GmbH
Alte Jakobstr. 83-84
10178 Berlin-Mitte

ACCOR Regionalbüro Berlin
Rollbergstrasse 72
12053 Berlin-Neukölln

Das rassistische Gutscheinsystem in Berlin-Neukölln ist am Ende!

Nach langer Verzögerungstaktik des Neuköllner Sozialstadtrates Michael Büge ist nun endlich klar: Ab 01.07 2004 bekommen Flüchtlinge, die vom Bezirk Neukölln versorgt werden, wieder Bares!

Damit gehört das Gutscheinsystem gegen Flüchtlinge in Berlin ab dem 1.7. der Vergangenheit an, denn der Bezirk Neukölln ist die einzige Berliner Verwaltung, die diese spezielle Form der Diskriminierung praktiziert!

Die Verantwortlichen der Bezirke Reinickendorf und Spandau beharren jedoch weiterhin auf der Aus-zahlung der durch das Arbeitsverbot notwendigen Hilfe zum Lebensunterhalt in Sachleistungen in Form der ebenso rassistisch diskriminierenden Chipkarten.

Doch zunächst zu Neukölln:
Seit 1998 wurden vom Bezirk Neukölln Gut-scheine der Firma ACCOR ausgegeben. Auf-grund jahrelanger Proteste diverser Antirassi-stischer und Flüchtlings-Gruppen zahlt der Berliner Senat seit Sommer 2002 wieder Bargeld aus. Die Bezirke Mitte, Wedding und Tempelhof-Schöneberg gaben darauf hin ihre rassistische Praxis auf. Sie zahlen wieder Bares aus. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf verabschiedete sich ebenfalls von der geplanten Einführung des Chipkartensy-stems.
Anders in Neukölln: Der Sozialstadtrat Büge sabotierte den Beschluss der BVV vom Mai 2003, wieder Bargeld auszuzahlen. Im Januar 2004 äußerte er sich dann "demokratisch erzwungen" auf eine "Mündliche Anfrage" in der BVV zum Thema:
Er würde weiterhin kein Bargeld auszahlen und damit den Beschluss der BVV ignorieren. Wenn die BVV ihn per weiteren Beschlüssen dazu bringen wollte, würde er evtl. mit weiteren juristischen "Maßnahmen" kontern.

Laut Berliner Morgenpost vom 5.3.2004 beugt sich Büge nun aber doch der Entscheidung der Mehrheit der Neuköllner Bezirksverordneten-versammlung: Ab dem 1.7.2004 bekommen damit ca. 190 Menschen Bargeld statt Gut-scheine! Büge sagte jedoch auch: "Sollte je-doch der Eindruck entstehen, dass wie in den 90er-Jahren die Asylbewerber von Landsleuten oder Schleppern abgezockt werden, verkürzen wir die Auszahlungsräume schrittweise auf wöchentlich oder auch täglich".

Die Wiederaufnahme der Bargeldauszahlung in Neukölln verbuchen wir als (unseren) Erfolg. Ohne öffentlichen Druck hätte sich weder auf Senats- noch auf Bezirksebene etwas verbes-sert.

Wir werden die Praxis dieses rassistischen Sozialstadtrates weiterhin beobachten und öffentlich machen und gegebenenfalls unsere Politik gegen ihn wieder aufnehmen.

Spandau und Reinickendorf geben weiterhin Chipkarten an Flüchtlinge aus
Beide Bezirke werden von einer CDU-FDP-Mehrheit regiert. Wir schätzen, dass zusammen ca. 600 Personen von dieser rassistischen Praxis betroffen sind.
Werdet selber aktiv seid widerständig und beteiligt euch weiterhin an EinkaufspatInnenschaften, am Einkauf mit Chipkarten und anderen Aktionen. Denn ohne vielfältigen öffentlichen Druck werden die PolitikerInnen von CDU und FDP ihre Politik nicht ändern. Wir werden der Öffentlichkeit und den politisch Verantwortlichen auch weiterhin vor Augen führen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz rassistisch ist und abgeschafft gehört. Gleichzeitig sabotieren wir das Chipkartensystem, indem wir (mit eurer Unterstützung) für jeden Flüchtling / für jede Flüchtlingsfamilie eine EinkaufspatInnenschaft organisieren wollen. In Reinickendorf werden ca. 90 Chipkarten ausgegeben:

90 Chipkarten - 90 PatInnenschaften

Mit eurer Unterstützung kriegen wir das hin! Weiterhin ist es auch überlegenswert, ob wir die Arbeit der Sozialämter in Reinickendorf und Spandau nicht elegant vermehren können:

Die Sozialämter kosten uns Nerven und Mühe, wir wollen auch mal was davon zurück geben

Möglich ist, Flüchtlinge bei Amtsgängen zu unterstützen: mit ÜbersetzerInnen, mit Hilfen zur Antragstellung bei Einzelfällen, mit Ortsbegehungen, mit Kundgebungen...
Bis dahin unterstützt Flüchtlinge wie gehabt:
Möglich ist, Flüchtlinge bei Amtsgängen zu unterstützen: mit ÜbersetzerInnen, mit Hilfen
zur Antragstellung bei Einzelfallregelungen, mit Ortsbegehungen, mit Kundgebungen...

Bis dahin unterstützt Flüchtlinge wie gehabt:
Bis Ende Juni vermitteln wir weiterhin Gutscheine und darüber hinaus Chipkarten bzw. Ein-kaufspatInnenschaften...

Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz!
Das Chipkartensystem in Berlin und bundesweit bekämpfen!
Grenzen Auf!
Für freies Fluten!