Knake-Werner beißt auf Chips
Flüchtlinge bekommen Sozialhilfe weiter nur per
Chipkarte. PDS-Sozialsenatorin konnte SPD nicht für Neuregelung
begeistern. Flüchlingsrat: Änderung wäre auch ohne die
SPD möglich gewesen
von MARINA MAI
Ein Großteil der Asylbewerber und
Bürgerkriegsflüchtlinge wird auch unter einem rot-roten Senat
mit Chipkarten statt mit Bargeld einkaufen müssen. Der Grund:
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) hat den Vertrag mit der
Chipkartenfirma Sodexho nicht Ende März fristgerecht
gekündigt. Damit verlängert er sich automatisch bis zum
Sommer 2003. Als Bundestagsabgeordnete hatte Knake-Werner das
Asylbewerberleistungsgesetz, auf dem die Chipkartenregelung beruht,
noch als Signal zur Abschreckung von Flüchtlingen bezeichnet.
"Der PDS ist es nicht gelungen, in den
Koalitionsvereinbarungen der SPD die Zustimmung zur Zahlung von Bargeld
abzuringen", begründete Petra Leuschner, Staatssekretärin in
der Sozialverwaltung, die fehlende Initiative ihrer Senatorin gestern
vor dem Flüchtlingsrat. In den anderthalb Monaten bis zur
Kündigungsfrist sei dann zu wenig Zeit gewesen, das Thema erneut
zu besprechen. Inzwischen würden jedoch Gepräche
geführt. "Ich bin für das nächste Jahr durchaus
optimistisch", so Leuschner.
"Ich denke eher, die Kündigung wurde durch
konservative Juristen in der Sozialverwaltung bewusst verschleppt",
meinte Georg Classen vom Flüchtlingsrat. Seine Mitstreiterin Inge
Eichel merkte an, nicht der Senat, sondern allein die Sozialverwaltung
sei der Vertragspartner der Chipkartenfirma: "Sie hätte den
Vertrag ohne Zustimmung der SPD kündigen können."
Das Chipkartensystem sei diskriminierend und
schränke das Leben von Asylbewerbern unütz ein, gaben
Vertreter des Rates zu denken. Die Wege zum Einkaufen seien weit,
Billigläden seien nicht an das System angeschlossen.
Flüchtlinge, die ohnehin über weniger Geld verfügen als
deutsche Sozialhilfeberechtigte, könnten keine Sonderangebote
nutzen und kaum landestypische Lebensmittel kaufen. "Weder
Schulbücher für Kinder noch Anwaltskosten dürfen sie mit
den Chipkarten kaufen", so Classen. Auch wegen fehlender anwaltlicher
Betreuung sei die Annerkennungsquote bei Asylanträgen so gering.
"Das kann nicht der politische Wille der Landesregierung sein."
In Berlin erhalten Asylbewerber und
Bürgerkriegsflüchtlinge Chipkarten von der Zentralen
Leistungsstelle des Landes sowie in vier Bezirken. Fünf Bezirke
zahlen Bargeld aus.
Leuschner verwies darauf, dass die Sozialverwaltung ab
Juli zwei Verbesserungen bei den Chipkarten durchsetzen konnte. Nicht
benutzte Beträge dürfen dann für die Folgemonate
angespart werden. Bisher sind sie zum Monatsende verfallen. Zudem
würden sich mehr Läden im unteren Preissegment
beteiligen.
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taz Berlin lokal Nr. 6750 vom 16.5.2002,
Seite 21, 89 Zeilen (TAZ-Bericht), MARINA MAI
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