Initiative gegen das Chipkartensystem

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Berlin: bundesweiter Aktionstag gegen Abschiebung und Abschiebehaft
30.August 2003

.

Gedenken

              
ABSCHIEBUNG BLEIBT MORD!



Die Namen Kemal Altun, Kola Bankole, Rachid Sbaai und Altankhou Dagwasoundel stehen für unzählige weniger bekannte Flüchtlinge, die aus Angst vor ihrer Abschiebung
in die Verzweiflung getrieben wurden und werden.


Zuwanderung, Arbeitsmigration und Zuflucht in die Bundesrepublik Deutschland gibt es seit ihrem Bestehen. Als wiedererstarkende kapitalistische Wirtschaft bildete die BRD nach dem 2. Weltkrieg ein Zielder weltweiten Migration in Richtung Europa, das billige Arbeitskräfte benötigte. Im Rahmen des sog.»Wirtschaftswunders« wurden bis zum Anwerbestopp 1973 aufgrund der ersten Wirtschaftskrise nachdem 2. Weltkrieg, der ersten Ölkrise mit dem Ölboykott der OPEC-Staaten, mehr als 2,6 Millionen GastarbeiterInnenangeworben, die jedoch ? anders als von den PolitikerInnen geplant ? im Land blieben und ihre Familien nach holten. Das Asylrecht spielte bis zu dieser Zeit keine Rolle, so dass die Innenminister-konferenz noch am 26.8.1966 beschließen konnte, Flüchtlingen unabhängig von ihren asylrelevanten Gründen einen gesicherten Aufenthalt zu gewähren.Dies änderte sich jedoch in
den 70er Jahren mit einer zunehmend bürgerkriegs- und verfolgungsbedingten Flucht in großem Ausmaß nach Europa und in die BRD.waren vor allem die Militärputsche in Chile und der Türkei, der Umsturz im Libanon, die Besetzung und der Krieg in Afghanistan, der Bürgerkrieg in Sri Lanka, der Sturz des Schah-Regimes und die folgende Chomeini-Diktatur im Iran. 1966
wurden 4379, 1979 bereits großen Schwankungen unterlagen (1983: 19.737, 1986: 99.650).
Mit dem Zusammenbruch des realsozialistischen Blockes kam es zu einer vor allem durch die
westlichen Länder forcierten Reethnisierung der dortigen Staaten. Die Bundesrepublik nahm derzeit über eine halbe Millionen Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien auf, etwa2/3 aller AsylbewerberInnen, die zwischen 1989 und 1994 in der BRD einen Antrag gestellt haben, kamen aus den ehemaligen real-sozialistischen
Ländern Süd- und Osteuropas. Das massive Ansteigen der AsylbewerberInnenzahlen
(auf 438.191 im Jahre 1992) ist in erster Linie den (geschürten) ethnischen Kriegen und dem Zerfallserscheinungen nach dem Zusammenbruch
1989 geschuldet, doch hat die Höhe der
AsylbewerberInnenzahlen noch einem anderen
Grund.

-Am 30. August vor 20 Jahren: Der Tod von Kemal Altun
Am 30.8.1983 starb Kemal Altun, 23-jähriger Asylbewerber aus der Türkei, durch einen Sprung aus dem Fenster des Verwaltungsgerichtsin Westberlin, wo eine Klage des Bundesbeauftragten gegen seine Anerkennung als politischer Flüchtling verhandelt werden
sollte. Ein Jahr zuvor hatte sich das BKA bei der türkischen Regierung erkundigt, ob die Auslieferung gewünscht sei. Der junge Türke gehörte zur demokratischen Opposition. Die türkische Regierung ließ sich von der Bundesrepublik nicht zweimal bitten und forderte
seine Überstellung in die Türkei.Das in Gang gesetzte Auslieferungsverfahren führte in der Öffentlichkeit zu einer Welle der Solidarität mit Kemal Altun. Während des politischen Tauziehens um seine Person saß der junge Asylbewerber in Auslieferungshaft, 13 Monate lang, 23 Stunden täglichallein in der Zelle. Dem Druck und der Angst vor seiner Abschie-bung hielt Altun am Ende nicht mehr stand.


In erster Linie kamen Bürgerkriegsflüchtlinge in die BRD, denen eigentlich ein vom Asylverfahren unabhängiger Aufenthalt nach dem Ausländergesetz (AuslG, §32) zu gewähren gewesen wäre. Dieser wurde den Flüchtlingen jedoch in der Regel verweigert und sie wurden von der Ausländeradministration geradezu »ins Asyl gedrängt«. Die AsylbewerberInnenzahlen wurden so von der Politik bewusst manipuliert und in die Höhe getrieben, um sie innenpolitisch zur Anheizung ausländerfeindlicher Stimmungen und Pogrome zu instrumentalisieren. ? Fast jede Woche brannte in dieser Zeit ein Heim und
Bilder ausländerfeindlicher Ausschreitungen gingen im die Welt. Innenpolitisch legitimierte dies die Zustimmung der SPD zum »Asylkompromiss«, also zur Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetz, der Abschaffung des Grundrechts aufAsyl am 1.7.1993 und der damit verbundenen Abschottung der EU-Außengrenzen (Schengener Abkommen).
Durch die Instrumentalisierung des gesellschaftlichen Rassismus wurden so ökonomische
Interessen durchgesetzt, denn die gesetzlichen Verschärfungen verringerten natürlich nicht die Flüchtlingszahlen. Sie drängten immer mehr Menschen in die Illegalität, so dass den Bedürfnissen der Ökonomie nach flexiblen, ausbeutbaren ArbeiterInnen ohne
Rechte entsprochen wurde. Diese Politik der Regulation und Akzeptanz von ArbeiterInnen ohne Papiere setzt sich heute auf der EU Ebene fort. Trotz der »hohen« Asylantragszahlen ist die Auslegung politischer Verfolgung in der BRD besonders restriktiv und die Anerkennungsquoten gehören europaweit traditionell zu den niedrigsten. Lag die Aner-kennungsquote Mitte der 80er bei durchschnittlich 10 - 15 %, so ist seit dem ein kontinuierlicher Rückgang zu verzeichnen, der 2002 mit 1,83 % (2379 Menschen) nach Art. 16a des Grundgesetzes einen historischen Tiefstand erreichte.
Zusätzlich bekamen noch 3,17 % (4.130 Menschen) das sog. »kleine Asyl«, welches jedoch
keinen unbefristeten Aufenthalt beinhaltet. Trotzdem dürfen rechtliche nicht alle Menschen,
die nicht als (politische) Flüchtlinge anerkannt werden, wieder abgeschoben werden.
Dies ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen der Anerkennung internationaler Konventionen wie der »Genfer Flüchtlingskonvention« oder der »Europäischen Menschenrechtskonven-tion« und der Nichtanerkennung geschlechtsspezifischer oder nichtstaatlicher Verfolgung durch marodie-rende »Warlords« im Asylrecht.


30. August 1994: Der Tod von Kola Bankole durch die brutale Abschiebepraxis
Der Nigerianer Kola Bankole erstickte am 30.8.1994 in der Lufthansa-Maschine, mit der er
abgeschoben werden sollte, an einem Knebel, der ihm vom Bundesgrenzschutz in den Mund
gedrückt wurde. Zuvor war er mit Klebeband und Klettbändern an Händen und Füßen gefesselt, mit Skisocken und einem Rollladengurt geknebelt und mit gespritzten Psychopharmaka "ruhig gestellt" worden. Gegen die vier BGS-Beamten fand kein Prozess statt, das Verfahren wurde eingestellt.

Seit Jahren wird die militärisch hochgerüstete EU-Außengrenze im Rahmen der Osterweite-rung in Richtung der ärmeren osteuropäischen Transformationsländer verschoben, es werden
vorverlagerte Migrationskorridore zum Abfangen und Regulieren der Migrationsströme in-stalliert, an südlichen Mittelmeergrenzen machen hochgerüstete Einheiten Jagd auf die an-kommenden Flüchtlingsboote. Ziel der Barrieren ist nicht die komplette Abschottung der
EU, denn billige illegalisierte ArbeiterInnen werden in den Bereichen Landwirtschaft, Bau-gewerbe und bestimmten Dienstleistungsbereichen ? Haushalt, Putzgewerbe, Prostitution ?
weiter dringend benötigt. Es findet nur eine stärkere Regulation und Selektion der ankom-menden Menschen statt, der Preis einer Überwindung der Grenzbarrieren wird immer höher,
draußen bleiben die Armen und politisch Verfolgten. So fordert das europäische Grenz-regime jedes Jahr mehrere 10.000 Tote an seinen
Außengrenzen. Die BRD schob zwischen 1990 und 1998 nach Angaben der Bundesregierung rund 290.000 AusländerInnen ab und jedes Jahr werden es mehr, allein im Jahr 2001 waren es 43.950 Ab- bzw. Rückschiebungen. Zur Zeit diskutieren die EU-Innenminister
die Abschiebung von über 100.000 afghanischen Flüchtlingen da das Land ja nun befriedet
sei. Eine Vorreiterrolle übernahm hier wieder einmal die BRD, am 21.6.2003 wurde der erste Flüchtling seit 23 Jahren auf Anordnung des Rechtspopulisten Schill nach Afghanistan abgeschoben. Wie so häufig in der Geschichte der BRD wird Rassismus innenpolitisch instrumentalisiert um auf der einen Seite rassistischen Strukturen der Gesellschaft für die eigene Politik einzusetzen und auf der anderen Seite ökonomischen
Interessen umzusetzen. Denn die Ausländergesetzgebung bietet den institutionellen Rahmen zur Segregation billiger Arbeitskräfte. So wird der hiesige Arbeitsmarkt »ethnisch unterschichtet«, die dreckigen und schweren Arbeiten werden vermehrt von »Sans Papiers« verrichtet, die Profiteure sind in erster Linie die deutsche Wirtschaft und diejenigen, die noch einen regulären Job besitzen und durch die Ethnisierung die Chance auf einen besseren Arbeitsplatz bekommen. In Zeiten allgemeiner Umstrukturierung und Sozialabbaus fungiert Rassismus dann als ideologische Kittfunktion und Begründungsmuster, die Schuld an den Kürzungen bekommen die MigrantInnen in die Schuhe geschoben
und verdecken deren doppelte Benachteiligung.

Rachid Sbaai stirbt in der Arrestzelle des Bürener Abschiebeknastes am 30. August 1999
Rachid Sbaai wurde am 30.8.1999 in die Arrestzelle der JVA Büren, des größten deutschen Abschiebeknasts, gebracht, wo er gegen 11 Uhr die Matratze seiner Einzelzelle in Brand gesetzt haben soll. Ein Mitgefangener, der sich eine Arrestzelle weiter befand,
hörte, wie Sbaai auf Arabisch schrie, dass er gerettet werden müsse, weil es brennen würde, und drückte sofort den Alarmknopf, der sich in jeder Zelle befindet. Allerdings musste er 15 Minuten lang den Todeskampf von Rachid Sbaai mit anhören, bis die Schreie verstummten. Danach kamen mehrere Beamte und Mitarbeiter der Firma Kötter. Sie zogen Sbaai aus der Zelle und versuchten, ihn wieder zu beleben. Als der Anstaltsarzt eintraf, konnte dieser nur noch den Tod durch Rauchvergiftung feststellen. Die Anstalt bestreitet bis heute, dass auch Sbaai den Alarmknopf ausgelöst hat, obwohl der Alarm registriert wurde. Der Mitgefangene wurde sofort in ein anderes Hafthaus verlegt, der Polizei wurde die Existenz dieses Zeugen
nicht mitgeteilt. Das Verfahren ist in der Zwischenzeit eingestellt

Eine zentrale Stelle spielen hier die »neu« errichteten »Ausreisezentren«, da diese Lager in erster Linie Menschen in die »Illegalität« treiben und dies aus offizieller Sicht als Er-folg,
als »unkontrollierte Ausreise« verbucht wird. Die geschilderten Todesfälle im Zusammenhang mit Abschiebungen und Abschiebehaft sind Beispiele dafür, zu welchen verzweifelten Schritten die Opfer der Abschiebemaschinerie getrieben werden. Allein in Berlin sind seit 1993 bereits 8 Todesfälle in Zusammenhang mit der
Furcht vor Abschiebung oder Abschiebehaft dokumentiert. 30. August 2000: Der Tod Altankhou Dagwasoundels bei der Flucht aus der
Abschiebehaft In der Nacht zum 30.8.2000 stürzte der 28-
jährige Mongole Altankou Dagwasoundel beim Versuch, aus der Abschiebehaft in
Berlin-Köpenick zu fliehen, in den Tod. Dagwasoundel befand sich seit etwa vier
Wochen im Berliner Abschiebeknast, als er am Abend des 29. August ins Krankenhaus
Köpenick eingeliefert wurde. Dort wurde er in einem Zimmer im sechsten Stock un-tergebracht und von zwei Beamten bewacht. Dagwasoundel versuchte, sich mit
verknotetem Bettzeug aus dem Fenster in das darunter liegende Stockwerk abzuseilen
und stürzte in die Tiefe.

Zu Beginn des Jahres 2003 kam es zu einer beispiellosen Welle von Selbstmordversuchen und Selbstverletzungen
der Menschen im Abschiebeknast Berlin-Köpenick, die ihre Freilassung erreichen wollten.
Die Namen Kemal Altun, Kola Bankole, Rachid Sbaai und Altankhou Dagwasoundel stehen für unzählige weniger bekannte Flüchtlinge, die aus Angst vor ihrer Abschiebung
in die Verzweiflung getrieben wurden und werden. Aus Anlass dieser Jahrestage wurde der
30.08.03 als Aktionstag der bundesweiten Vernetzung der Abschiebehaftgruppen gewählt.

Beteiligt Euch alle am bundesweiten Aktionstag gegen Abschiebung und
Abschiebehaft! Nieder mit den Knästen! Keine Lager in der BRD! Für das
Recht auf Migration weltweit und gegen ein Europa des Kapitals und der
Selektion von Menschen nach Verwertungsbedingungen!

12:00 bis 13:30 zwischen Zoologischer Garten und Breitscheidplatz - Straßentheater, Antirassistisches Radio, Aktionen und mehr...
13:30 Breitscheidplatz Kundgebung gegen Abschiebung und Abschiebehaft
20:30 Abschiebeknast Grünau ? Filme gegen Abschiebung - unter freiem Himmel mit leckerem Essen und solidarischen Grußbotschaften an die Inhaftierten
Abschiebeknast: Berlin Köpenick, Grünauerstr. 140, bis S Grünau und dann Tram 68 bis Rosenweg oder bis S Spindlersfeld, dann Tram 60 bis Wasserwerk Friedrichshagen und dann Tram 68 bis Rosenweg.

Es rufen auf: Antirassistische Initiative (ARI),Asta TU-Berlin, Flüchtlingsinitiative Brandenburg, Gruppe »Frauen im
Exil«, Initiative gegen Abschiebehaft, Initiative gegen das Chipkartensystem, Komitee zur Unterstützung
der politischen Gefangenen im Iran / Berlin, Naturfreundejugend Berlin




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