Der Krieg in Bosnien Hercegowina

Wenn schon in Kroatien historische Elemente ins Feld gezogen werden, um Grenzzichungen und “Selbstbestimmungsrechte” einzuklagen, entbehrt’das in Bosnien-Hercegowina jeglicher Grundlage. Bosnien ist eine multinationale Region. Ein eigenständiger Staat außerhalb Jugoslawiens, der auch noch “ethnisch” begrundet wird, macht nicht einmal innerhalb dieser Denkweise einen Sinn. Rund 44 % Muslime, 31 % Serblnnen und 18 % Kroatlnnen lebten dort vor dem Krieg. Diese drei Bevölkerungsgruppen waren über die ganze Gegend miteinander vermischt. Die Serblnnen besaßen rund 60 % des Landes, die Muslime waren auf die Städte konzentriert. Nachdem sich ab 1989 in Kroatien der Nationalismus wieder stark machen konnte, begannen auch bosnischen Muslime, ihre “Identität” in der islamischen Bewegung wiederzuentdecken. Beides stellte eine Bedrohung für die Serblnnen dar, sowohl in Form berechtigter Angst der serbischen Bevölkerung vor rassistischen Angriffen - fast -ganz Bosnien-Hercegowina gehörte zum damaligen Ustascha-Staat - wie auch als Einschränkung der Hegemoniebestrebungen der Belgrader Regierung unter Führung des Nationalisten Milosevic in der Region Bosnien- Hercegowinas.

1990 fanden in der Region die ersten Mehrparteienwahlen der Nachkriegszeit statt, bei denen die verschiedenen ethnisch orientierten Parteien über 70 % der Stimmen für sich verbuchen konnten. Da keine Partei eine Mehrheit erlangen konnte, mußte die Republik aus einer Mehrparteienkóalition aus Muslims, Kroatlnnen und SerbInnen regiert werden, wobei die Muslims die stärkste Partei stellten. In der Folge begannen muslimische Nationalistlnnen, auf die Schaffung eines ethnisch begründeten Staates zu drängen. Sie wollten die Übereinstimmung der “ethnischen Nation” und “des Staates”. Die bosnischen SerbInnen hingegen wollten Jugoslalwien nicht verlassen. Sollte es doch zu einer Unabhängigkeit kommen, wollten sie auf keinen Fall einen Einheitsstaat, da dieser von einer Koalition von Muslims und Kroatlnnen dominiert werden würde.

Die kroatische Regierung war mittlerweile zu einem taktischen Bündnis mit den Muslims übergegangen - eine unheilvolle Allianz, gab es doch zuvor heftigste kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Muslimen tind KroatInnen. Tudjmann hatte sich zum Ziel gesetzt, zumindest die, hauptsächlich von bosnischen Kroatlnnen bewohnte Hecegowina. die im Westen an Kroatien grenzt, zu annektieren. Ebenso hatte auch die serbische Regierung Interesse an einem möglichst groben Einflug auf bosnischem Boden.

Im Februar 1991 hatten sich Serbiens Präsident Milosesic und Kroatiens Staatschef Tudjmann getroffen, um sich über die Aufteilung Bosnien-Hereegowinas zu verstandigen - eine Option, die beide Staaten trotz der kroatischen Unterstützung der muslimischen Regierung in Sarajevo bis heute im Auge behalten hatten. Der Nordwesten sollte Kroatien, der Südosten Serbien zugeschlagen werden. Dazwischen sollte eine muslimische Pufferzone entstehen.

Nachdem allerdings im September des Jahres muslimische und kroatische Parlamentarier die Region zur souveränen Republik erklärten, proklamierten SerbInnen einige “serbische autonome Regionen”, richteren eine parlamentarische Versammlung ein und erkannten die Gesetze Bosnien-Herzegowinas in diesen Gebieten nicht an.

Zur gleichen Zeit drängten Deutschland und die USA ihre Verbündeten zu einer Anerkennung jener Republiken, die aus der jugoslawischen Föderation austreten wollten. Nachdem der deutsche Außenminister Genscher durch Druck dieses Einverständnis in der EU durchsetzen konnte, beschlossen muslimische und kroatische Mitglieder des bosnischen Präsidiums, die staatliche Unabhängigkeit durchzusetzen, die serbisclien Mitglieder weigerten sich, an der Abstimmung teilzunehmen. Im Januar 1992 stimmten, gegen serbischen Einspruch, die muslimischen und Kroatischen Mitglieder des Parlaments für die Abhaltung eines Referendums für die Unabhängigkeit, das im Februar durchgeführt und von den SerbInnen boykottiert wurde. Zwei Drittel der am Referendum Teilnehmenden sprachen sich für eine Unabhängigkeit aus. Es kann also davon ausgegangen werden, daß mit einer Teilnahme der Serblnnen keine Mehrheit zusammengekommen wäre.

Am 6. April, exakt 51 Jahre, nach dem zerstörerischen Bombardement Belgrads durch die deutsclie Luftwaffe, erkannte die EU BosnienHerzegowina als unabhängigen Staat an, die USA einen Tag später. Damit spielten die westlichen Stzaaten, vor allem Deutschland und die USA, eine wesentliche Rolle bei der Ausweitung der Kämpfe. Am 10.5.1992 löst Belgrad offiziell die Jugoslawische Volksarmee in Bosnien-Herzegowina auf. Die international völlig widerrechtliche Anerkennung gab den muslimischen Bestrebungen, ganz Bosnien zu beherrschen, erheblichen Rückenwind. Die Schaffung des Staates zerteilte die Region, der neue Staat verfügte über nicht mebr als 20 % “seines” Territoriums. Dessen Chef Alija Izetbegovic hat klare Vorstellungen über die Zukunft Bosnien-Hercegowinas. Er will den autoritären islamischen Staat und ausdrücklich die Abschaffung der Meinungs und Pressefreiheit, hetzt gegen jüdische Menschen und will Frauen auf die Rolle der Ehefrau und Mutter beschränken. Auch sein Bild von Zusammenleben serbischer, kroatisch,er und muslimischer Menschen in der Region ist eindeutlig: “Wir sind uns als Volk genug. Das multinationale Zusammenleben ist eine nette Sache, aber, das darf ich doch ganz offen sagen, es ist doch eine Lüge. Ein Soldat stirbt nicht ftir ein multinationales Zusammenleben, sondern verteidigt sein eigenes Volk”.

Während die imperialistischen Staaten in der Türkei jedes Mittel akzeptieren oder gar unterstützen, Um die kurdische Unabhängigkeitsbewegung zu bekämpfen, wurden die Maßnahmen der jugoslawischen Regierung und der bosnisch-serbischen Armee gegen den Separatismus der bosnischen Muslime und Kroatlnnen gezielt zu propagandistischen Zwecken benutzt. Vom selben Terror gegen die serbische Bevolkerung wurde nur wenig berichtet. Gegen den Hauptfeind, “die Serben” sollte jedes Mittel recht sein. Allein sie seien, glaubt menschen den deutschen Medien, verantwortlich für den Krieg. Kein Wunder, schließlich stellen sie mit russischer Rückendeckung auf dem Balkan die einzigste Macht dar, die den Großmachtplänen Deutschlands und der USA einen Strich durch die Rechnung machen könnten.

Die schwache Izetbegovic-Regierung war allein nicht in der Lage, die serbische Armee aus Bosnien-Hercegowina zu vertreiben, zumal diese auf die gut gefüllten Waffenkammern der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee zurückgreifen konnte. Im Verbund mit Kroatien konnte die “moslemisch-kroatische Föderation” sah das natürlich anders auf. Izebegovic selbst kann zudem auf gute Verbündete in der Türkei, im Iran und in Saudi-Arabien setzen, die den Staatschef mit grobzügigen Spenden unterstützen. So kann Kriegsmaterial eingekauft werden.

Im Verlaufe des Krieges zwischen den verschiedenen nationalistischen Kriegsparteien kam es immer wieder zu Versuchen, die Kämpfe auf diplomatischer Ebene beizulegen. Ein im Mai 1992 erstellter Friedensplan, der die Macht der muslimischen Regierung in Sarajewo schmälern und die Hauptfunktionen der Staatsmacht auf die lokalen Ebenen verlagern sollte, schepte nach dem Massaker in der Wasse-Miskin-Straße, das, von MuslimInnen verübt, von den internationalen Medien den SerbInnen in die Schuhe geschoben wurde. Das Blutbad von Sarajevo war auch der Anlaß für das Embargo gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Der plan der Kontaktgruppe von 1993, der eine Kantonisierung Bosniens nach dem Schlüssel von 49:51 zu ungunsten der SerbInnen vorsah, wurde von diesen abgelehnt, unter anderem, weil wichtige industrielle Zonen der moslemisch-kroatischen Föderation zugeschlagen wurden. (Serbien mußte schon mit der Abspaltung Kroatiens und,Sloweniens auf die wichtigsten industriellen Zonen des ehemmaligen Jugoslwaien verzachten). Diese Ablehnung führte zu einer Eskalation des Bürgerkrieges.

Zunehmend mischten sich die westlichen Mächte, letztendlich mit Hilfe der NATO aktiv auf der Seite der bosnischen Muslime und KroatInnen in den Krieg ein. Am 5. Februar 1994 explodiert auf dem Alimarkt von Sarajewo eine Granate, Dutzende von Menschen wurden getötet. Schnell waren auch hier die Schuldigen gefunden: die SerbInnen, obwohl sich die Unprofor von Anfang an überhaupt nicht auf diese Aussage festlegen wollten, führte der Anschlag zu einem ersten NATO Ultimatum an die bosnischen SerbInnen. Knappe 3 Wochen später, am 28. Februar 1994 flog die NATO den ersten Kampfeinsatz in der Geschichte ihres Bündnisses. Vier angeblich serbische Flugzeuge (siehe Medienteil) die gegen das von der UNO verhängte Flugverbot verstoßen hatten, wurden von amerikanischen F-16 Bombem abgeschossen. Auch die seit September 1995 geführten Waffenstillstandsverhandlungen waren begleitet von permanenten Kriegshandlungen. Während in Genf ein neuer Friedensplan verhandelt wird, bombardieren NATO-Kampflugzeuge bosnisch-serbische Stellungen rund um Sarajewo. Ziel sollte es sein, daß die Serblnnen alle schweren Waffen aus einer 20 Km-Zone um Sarajevo abziehen. Begründung: Bei einem Granatenangriff auf den Marktplatz von Sarajevo werden 33 Menschen getötet und 84 verletzt, Obwohl auch hier weltweit zahlreiche Zweifel an der Urheberschaft des Angriffs bestellen, macht die muslimische Regierung bosnische SerbInnen verantwortlich und fordert von der NATO Luftschläge. Im Rückenwind agieren kroatische und muslimische Streitkräfte weiter. Während sich die Außenminister der muslimisch-bosnischen Federation, Kroatiens und Serbiens auf die Anerkennung der Föderation Bosnien-Herzegowina und der Serbischen Republik im Verhältnis 51:49 einigen, kündigt Izetbegoviv “in, seine Armee werde “nicht einen Schritt von einer Stellung weichen”. Unmittelbar vor dem Waffenstillstand versuchen beide Kriegsparteien, durch möglichst grosse Gebietsgewinne ihre Verhandlungsbasis zu stärken.

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