ein
haus für 50 personen gesucht
aus neues deutschland - 14.06.2007 - martin kröger
- >
seit zwei wochen sind die bewohner des ausgebrannten projekts rigaer straße 84 ohne bleibe
»ideals don`t burn« – »ideale
brennen nicht« steht auf dem zwischen zwei bäumen befestigten
transparent an der frankfurter allee in friedrichshain. darunter, vor der mittagssonne
durch eine plane geschützt, frühstücken rund 30 bewohner und
unterstützer des ausgebrannten hauses rigaer straße 84. die jugendlichen,
viele von ihnen mit rastalocken und bunten haaren, haben ihre lebensmittel in
einem einkaufswagen mitgebracht. nebenan stehen fünf kleine zelte.
»wir wollen mit dieser kundgebung und dem camping-asyl auf unsere unverändert
schlechte situation aufmerksam machen«, erzählt michael weidinger.
wie seine mitbewohner sitzt weidinger seit zwei wochen auf der straße
– seitdem ende mai der dachstuhl und teile des vierten stocks seines wohnprojekts
durch einen brand verwüstet wurden. wobei »auf der straße«
ein wenig übertrieben ist, denn viele der bewohner sind notdürftig
bei bekannten und freunden untergekommen. »auf dauer«, erläutert
weidinger, sei dies jedoch »kein zustand«. denn die getrennte unterbringung
hat mit dem ziel, weiterhin gemeinsam zu leben, nichts zu tun. deswegen müsse
»ein ersatzobjekt« her, in dem alle der 50 quasi obdachlosen unterkommen
könnten.
doch die suche nach einem solchen gebäude gestaltet sich schwierig. im
»nordkiez« stehen schon lange nicht mehr haufenweise leere häuser
zur verfügung. hinzu kommt, dass sich die hausverwaltung, die das eckhaus
an der rigaer/proskauer straße verwaltet, nicht zuständig fühlt.
»wir rüsten das haus zwar ein und setzen ein notdach rauf«,
erzählt gösta goldstein von der verwaltung werz&werz. die entscheidung,
wie es weitergeht, habe jedoch eine eigentümerversammlung zu treffen, die
in diesen tagen zusammentreten soll. »grundsätzlich«, so der
mitarbeiter der hausverwaltung, »sollte es allerdings möglich sein,
das haus wiederaufzubauen.« doch die gutachter hätten auch eine 10-prozentige
wahrscheinlichkeit für einen abriss offengelassen, da noch nicht klar sei,
wie verheerend die schäden sind. in jedem fall dürfte eine zeit von
minimal zehn bis maximal 24 monaten vergehen, bis das haus wieder nach einer
sanierung bewohnbar sei.
den bewohnern steht es offen, »solange zu warten oder vorher zu kündigen«,
sagt goldstein, dem man anmerkt, dass er über den verlust der alternativen
mieter nicht besonders traurig wäre. für die ex-besetzer, die alle
einen legalen vertrag besitzen, kommt dies jedoch nicht in frage. mehr unterstützung
als von der verwaltung erhoffen sich die jungen leute indes vom bezirksamt und
dem bürgermeister von friedrichshain-kreuzberg, franz schulz (grüne).
dieser hatte auch kurz nach dem feuer hilfe zugesagt, doch weder eine anfrage
beim liegenschaftsfonds noch beim bezirk habe bisher ein angebot für ein
geeignetes objekt ergeben, erzählt michael weidinger. nun solle ein runder
tisch mit allen beteiligten eine lösung herbeiführen.
»ich habe mich bereits bei einem hausbesitzer in der rigaer straße
für die leute eingesetzt«, erklärt hingegen franz schulz dem
nd. bereits gestern kam ein erstes gespräch mit dem vorgeblichen besitzer
der rigaer straße 78, in dem platz für die wohnungssuchenden wäre,
dem bezirksbürgermeister und den bewohnern zu stande. die hoffnung von
franz schulz, schnell »eine lösung« zu finden, zerschlug sich
jedoch, da derzeit die eigentumsverhältnisse der rigaer straße 78
ungeklärt sind. anwälte sollen nun klären, wer die »verfügungsgewalt«
über das potenzielle ersatzobjekt hat.
brisante neuigkeiten hat unterdessen die polizei zu melden. »wir wissen
inzwischen sicher, dass es sich um brandstiftung gehandelt hat«, erklärte
polizeisprecher michael merkle dieser zeitung. die genaue ursache für das
feuer im dachstuhl sei allerdings weiterhin unklar, »die ermittlungen
des landeskriminalamts laufen«, so merkle.
den bewohnern bleibt indes nur, mit konzerten, kundgebungen und dem verkauf
von kleinen tüten mit ascheresten des hauses geld für ihre gemeinschaft
zu sammeln – damit »nicht noch ein linkes projekt aus der stadt
vertrieben wird«, wie sie sagen.
.