Geld oder Leben?

Karawane nach Köln - Gipfel stürmen!

Juni 99 finden in Köln im Abstand von zwei Wochen der Gipfel der
EU-Regierungschefs und der G7/8 Gipfel der sieben reichsten Länder plus Rußland statt. Geschützt von einem riesigen Polizeiaufgebot wollen die Großmächte die Ausbeutung des überwiegenden Teils der Menschen und der gesamten Umwelt zugunsten einer kleinen Gruppe Bevorzugter festigen und ausbauen. Beim EU-Gipfel geht es vorrangig um den Ausbau der EU als zunehmend von Deutschland dominierte wirtschaftliche und militärische Supermacht neben den USA.

Diese Politik steht in der langen Tradition europäischer
Kolonialherrschaft. Ursprünglich vorrangig militärisch erzwungene
Ausbeutung wird heute nach der formalen Unabhängigkeit der meisten ehemaligen Kolonien auf wirtschaftlichem Weg weitergeführt. Durch kontinuierlich steigende Verschuldung der sogenannten dritten Welt wird diese in einer ebenso starken aber langfristigeren Abhängigkeit gehalten wie zu Kolonialzeiten.

Grenzen öffnen für Menschen nicht für Konzerne

Gleichzeitig wird mittels sogenannter Standortpolitik ein weltweiter
Wettbewerbsdruck erzeugt. Mit dem Schlagwort "Investitionsklima-verbesserung" werden die Betroffenen gegeneinander ausgespielt. So können Sozialstandards (wie Krankenversicherung und
Rentenansprüche) sowie Umweltstandards die bisher ohnehin nur einer Minderheit vorbehalten waren abgebaut und gewachsene
Sozialstrukturen zerstört werden. Auf diese Weise wird auch
innerhalb der Industriestaaten die "Unterschicht" ausgebeutet.
Durch die am Lohnerwerb orientierte Arbeitsgesellschaft, die auf
unbezahlter Haus- und Reproduktionsarbeit vor allem von Frauen
beruht, werden Menschen isoliert, in unterschiedliche Schichten
geteilt und Selbstorganisation verhindert. Diese kapitalistische
Ausbeutungsform macht sich die patriarchalen Strukturen dieser
Gesellschaft zunutze. Insgesamt verrichten Frauen weltweit zwei
Drittel der Arbeit und den größten Anteil an ungesicherter Arbeit,
erhalten aber nur zehn Prozent des Einkommens und besitzen nur ein
Hundertstel des Eigentums. Fast erscheint es abgedroschen, in
diesem Zusammenhang noch auf die Zerstörung des Lebensraumes Erde hinzuweisen.

Nicht spalten und beherrschen lassen

Widerstand gegen diese weltweite Ausbeutung gab es in der
Vergangenheit in vielfältiger Form. Meistens jedoch scheiterte er
an der starken Zersplitterung in unterschiedliche Gruppen. Gegen
den EU- und G7/8 Gipfel bündelt sich nun ein großer Teil dieser
Kräfte. Sie wollen sich weder mit unverbindlichen Menschenrechts-erklärungen noch mit Almosen zufrieden geben. Die zahlreichen Demonstrationen , Märsche und Kongresse werden nicht nur
ein Aufschrei gegen die bestehende Weltordnung sein, sondern auch
die Möglichkeit bieten, gemeinsame Perspektiven für die Veränderung der gesellschaftliche n Verhältnisse zu entwickeln. Vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen und aktueller Notwendigkeiten ist das eine neue Chance, unterschiedliche Formen und Modelle des Protests, des Widerstands und der Organisation zusammmenzuführen, die bisher bestenfalls nebeneinander gearbeitet haben.

Das Konzept: prima dezentral

Die Idee ist, Leute, die die herrschenden Verhältnisse beschissen
finden und Fahrrad fahren gut, in einer Tour zu vereinen. Auch die
beiden Gipfel in Köln dieses Jahr bieten Gelegenheit, das Angenehme mit dem Anstrengenden zu verbinden. Die permanente Dezentralität der Karawane (die da, wo sie ist, schon war oder noch sein wird, nur wann?) soll dafür sorgen, daß die Möglichkeiten der Leute, sich an Aktionen aktiv oder passiv zu beteiligen, nicht auf einen Ort (Köln) beschränkt bleibt. Das macht natürlich die zentralen Events in Köln keineswegs überflüssig.

Das Gute daran: die Karawane ist sowohl als auch. Mal da und zwar
zentral und direkt, mal weg und dann woanders, auf jeden Fall
überall. Gleichzeitig ist es möglich, viele Kontakte zu anderen
politisch aktiven Gruppen und Menschen zu knüpfen.
(Das ist Vernetzung!)

Spaß kann auch Widerstand machen

Und was da nicht alles lustiges passieren kann, im Spannungsfeld
zwischen Inhalt (Politik) und Form (Fete): Radkappen werden zu
Frisbeescheiben, Ampeln zu Partybeleuchtung, Schlaglöcher zu
Feuerstellen um die herum getanzt, gelacht, gesungen, gespielt,
vermessen, gegessen und motiviert gelungert werden kann. Da ist
doch wohl für jedeN was dabei. Spaß und Spannung winken also.

Geld oder Leben oder was?  Die Inhalte der Karawane werden nicht auf die Kritik am Geld beschränkt sein, sondern von den Menschen
gestaltet, die mitfahren und die an den Haltepunkten Veranstaltungen
mit Themen organisieren. Denkbar: alles von A wie Ausstellung zu
Antifaschismus, Autobahnbau und Atomenergie über M wie Musik zum Tanzen, R wie RTS gegen Rassismus und V wie Videos über Vertreibung oder Volkssport bis Z wie Zirkus zu Zapatismus und Zahnpasta.

Die Karawane wird sich im Fahrradtempo bewegen, was unmittelbar
damit zusammenhängt, daß Fahrräder auch das Hauptverkehrsmittel
darstellen. Dazu kommen noch einige Wägen mit Treckern oder
LKWs, die die nötige Ausrüstung transportieren (Volksküche,
Zelte, Bühnenwagen, Instrumente...).

Es wird drei Teilkarawanen geben, eine von Basel über Frankfurt,
eine von Dresden und eine von Berlin, die sich mit der Dresdner in
Magdeburg treffen wird. Enden werden alle drei Karawanen in Köln,
rechtzeitig zur Großdemo gegen den EU Gipfel.

In Köln wird es die Möglichkeit geben, zweieinhalb Wochen lang
(bis zum G7/8 Gipfel) zusammen zu camp(f)en.

Mal sehn, was alles schönes passiert!

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