SommerKino – Open Air im KuBiZ
Spielfilm, GB 2006, 100 min, R: Shane Meadows, mit Thomas Turgoose
Letzter
Schultag in einer Kleinstadt im Norden Englands und der elfjährige
Shaun bezieht auf dem Pausenhof eine ordentliche Tracht Prügel.
Anlass für den Streit war die gehässige Bemerkung eines
Mitschülers über Shauns Papa, der im Falkland-Krieg
gefallen ist. Da versteht er eben keinen Spaß. Auf dem
Nachhauseweg gerät Shaun an eine Gruppe von Skinheads, die sich
des arg gebeutelten Rotzlöffels erbarmen. Anführer Woody
beschließt Shaun in seine Gang aufzunehmen und verpasst dem
Knaben prompt eine optische Generalüberholung inklusive
Schuhwerk von Doc Marten, Herrenoberhemd von Ben Sherman und
modischer Kurzhaarfrisur. Für Shaun beginnen unbeschwerte
Sommerferien im Kreise seiner neuen Freunde, bis eines Abends
überraschend Woodys alter Kumpan Combo aufkreuzt. Combo kommt
gradewegs aus dem Knast, wo er offenbar zur National Front
konvertiert ist, und versucht nun Woody und Konsorten auf den
"rechten Pfad" zu bringen... - Regisseur Shane Meadows war
in seiner Jugend selber Skin. So gerät THIS IS ENGLAND zur
stimmigen Innenansicht einer Jugendkultur, die sonst fast
ausschließlich durch fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten
und entsprechend hysterische Medienberichterstattung von sich Reden
macht. Auf einen Film über Skinheads, der ohne die Aspekte
Rassismus oder Faschismus auskommt, wird man von daher wohl noch
lange warten dürfen, aber Meadows behält die Ruhe, ohne
dabei die Problematik auszuklammern. Vorrangig erzählt er aus
dem Leben "traditioneller" Skinheads ohne rechtes
Gedankengut, vom Leben in England unter der Thatcher-Regierung, von
der Suche nach Zusammenhalt und - mehr oder weniger tauglichen -
Vaterfiguren.
Das verlangt nach fähigen Darstellern: Teils handelt es sich um Profis, teils um Laien wie Thomas Turgoose in der Rolle des Rotzlöffels Shaun, die einen großen Teil zum spontanen, ungeschönten Gesamteindruck des Films beitragen. Der Vergleich zu TRAINSPOTTING, den "The Times" meint bemühen zu müssen, hinkt zwar etwas, aber THIS IS ENGLAND geht als äußerst gelungenes Stück Kino durch, voller treffsicher skizzierter Charaktere und pointierter Momente, die im Gedächtnis bleiben.
Spielfilm, ISR 2007, 106 min, R: Eran Riklis, mit Hiam Abbas
Salma
Zidane lebt in einem kleinen Palästinenserdorf in der Westbank.
Sie ist 45, verwitwet, die Kinder sind aus dem Haus, Salma ist
allein. Als der israelische Verteidigungsminister auf der anderen
Seite der "grünen Linie" ein Haus baut, geraten Selmas
Zitronenbäume ins Visier der Personenschützer: Die Bäume
stellen eine Gefahr dar! Sie können Terroristen verbergen und
Bodyguards bei ihrer Arbeit behindern. Auf jeden Fall stehen die
palästinensischen Zitronenbäume den gehobenen
Sicherheitsbedürfnissen des mächtigen Ministers schlicht im
Weg. Doch Salma lässt sich davon nicht beeindrucken, denn vor
vielen Generationen sind die Zitronenbäume von ihrer Familie
eigenhändig angepflanzt worden. Die Bäume, das ist Salmas
Familiengeschichte. Salma nimmt sich einen Anwalt. Ziad Daud kämpft
gegen eine Phalanx cleverer Militärjuristen, die von ganz oben
gedeckt werden. Es ist ein ungleicher Kampf, der nicht leichter wird,
als sich die 45-jährige Witwe Salma in ihren zehn Jahre jüngeren
geschiedenen Anwalt verliebt. Für ihre palästinensische
Nachbarschaft ist das skandalös. Auf der anderen Seite der
Begrenzung ist Salmas Kampf um die Bäume nicht unbemerkt
geblieben. Die Frau des Verteidigungsministers, die mit dem
politischen Aufstieg ihres Mannes immer einsamer und unglücklicher
geworden ist, fühlt sich, je länger der ungleiche Kampf
zwischen ihrem Mann und der palästinensischen Nachbarin
andauert, immer stärker zu Salma hingezogen. Ein unsichtbares
Band verbindet die ungleichen Frauen, die jede für sich am
Beginn eines neuen Lebensabschnitts steht...
Es sind die beiden Frauen, die als einzige den Mut aufbringen, sich gegen vorgestanzte Handlungsmuster aufzulehnen. Riklis führt die schwelende Pein des Nahost-Konflikts mit dieser kleinen, parabelhaften Erzählung auf großartig vielschichtige Weise vor. Irgendwo zwischen dem modernen Kubus des Obersten Gerichts in Jerusalem, dem bescheidenen Anwaltsbüro im Flüchtlingslager Jalazon bei Ramallah, zwischen der durchdesignten Ministervilla und Selmas schlichtem Haus, begegnen sich die Menschen. - Der Film wurde auf der Berlinale 2008 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Doku, USA 2007, 84 min, R: Suroosh Alvi & Eddi Moretti
„Heavy Metal in Badgad“ erzählt von der Leidensgeschichte der einzigen Hardrockband im heutigen Irak. Junge Iraker, die 2003 unter Lebensgefahr in breitestem Amerikanisch mitten im gerade befreiten und gleich wieder im Chaos versinkenden Bagdad aggressiven Heavy Metal spielen - für die Gründer des Magazins "Vice" eine Story, mit der man sich gegenüber der üblichen Irak-Berichterstattung absetzen konnte. Inzwischen nämlich versteht sich „Vice“ auch als provokante Gegenreaktion gegen die desinformierende tägliche Nachrichtenbilderflut, um den Opfern der Zivilgesellschaft eine Stimme zu verleihen.
EINTRITT FREI
Kultur- und Bildungszentrum Raoul Wallenberg
Bernkasteler Str. 78, 13088 Berlin-Weißensee
Tram M4, M13, 12, 27