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"Mein Mandant befand sich in der Nacht vom 12. auf den 13.12.80 auf dem Gehsteig der Dresdener Straße am Oranienplatz. Er gehörte zu den Schaulustigen, die die Demonstrationen gegen die Räumung eines instandbesetzten Hauses beobachteten. Ohne vorherige Ankündigung fuhr ein Konvoi von Polizeimannschaftswagen mit größter Geschwindigkeit aus der Dresdener Straße auf die an der bezeichneten Straßenecke in großer Zahl versammelten Personen zu. Es entstand unter den an und auf der Straßenecke stehenden Personen eine Panik. Die versammelten Personen flüchteten in verschiedenen Richtungen in die Oranienstraße und in den Oranienplatz hinein. Auch mein Mandant flüchtete angesichts des sich nähernden Konvois und lief in die Oranienstraße hinein, wo er vor einer Straßensperre zum Stehen kam. Diese war von meinem Mandanten unbekannten Personen u.a. aus großen Blumenkübeln aus Beton errichtet worden. Mein Mandant stand etwa in Straßenmitte vor einem dieser Kübel, als ein großer Mannschaftswagen, wahrscheinlich blaue Farbe, wahrscheinlich Typ Mercedes, ohne vorher abzubremsen mit großer Geschwindigkeit gegen meinen Mandanten fuhr und beide Beine zwischen Fahrzeug und Betonkübel zerquetschte. Mein Mandant wurde mit dem Oberkörper mit dem Aufprall in die Kübel geschleudert, die Beine blieben eingequetscht. Mein Mandant weiß nicht, ob und wie sich die Insassen des Polizeifahrzeugs, insbesondere der Fahrer, danach verhalten haben, ob Sie das Fahrzeug gleich wieder zurückgewendet haben, ob sie ausgestiegen sind oder ob sie - wie in der Presse berichtet noch ein zweites Mal gegen ihn gefahren sind. Er weiß nur noch, in diesem Augenblick einen unerträglichen Schmerz gespürt und laut "mein Bein, mein Bein" geschrien zu haben. Die Polizeibeamten haben sich aber jedenfalls nicht um meinen Mandanten gekümmert, ihm insbesondere keine erste Hilfe oder sonstige Hilfe gegeben. Andere Personen, Passanten jüngeren Alters, kamen meinem Mandanten zu HiIfe und riefen ihm zu "er müsse weg", weil die Polizei Tränengas werfe und vom Schlagstock Gebrauch mache. In der Tat wurden auch in Richtung meines Mandanten Tränengasgranaten geschossen. Als mein Mandant diesen Personen sagte, er könne sich nicht bewegen, der Schmerz sei viel zu groß, trugen ihn diese jungen Leute in ein nahegelegenes türkisches Lokal, leisteten ihm erste Hilfe, schienten die Beine provisorisch mit Billardstöcken und versuchten, ihn zu beruhigen und ihn zu trösten. Einige Zeit später erschien die von den jungen Leuten alarmierte Feuerwehr. Als mein Mandant von den Sanitätern auf einer Tragbahre aus dem Lokal getragen wurde, wurde wieder mit Tränengas geschossen. Mein Mandant nahm wahr, daß in geringer Entfernung eine Granate niederging.

Sowohl mein verletzter Mandant als auch die beiden Sanitäter hatten mit dem Tränengas zu kämpfen. Mein Mandant wurde ins Krankenhaus gebracht, dort einer dreistündigen Operation von drei bis sechs Uhr unterzogen. Es wurde ein Gipsverband angelegt. Am 16.12.80 mußte mein Mandant wegen einer akuten, lebensbedrohenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auf die Intensivstation verlegt werden. Mein Mandant hat, soweit ihm dies bekannt wurde, folgende Verletzungen erlitten: linkes Bein: Knie, Schienbein, Ferse und Sprunggelenk gebrochen. Dabei handelt es sich um Trümmerbrüche. Rechtes Bein: Wadenbein gebrochen, klaffende, breite Fleischwunde (Hautablederung) vom Knie bis zur Hacke. Derzeit ist die Frage einer Genesung völlig offen. Es besteht akute Infektionsgefahr. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit,

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